Darum gehts
- Schweizer Seen überhitzt, Kantone zögern bei Rettungsmassnahmen
- Klimawandel verschärft Sauerstoffproblem
- Fischsterben und die Verbreitung von giftigen Algen drohen
Die Schweizer Gewässer laufen heiss. So heiss, dass in gewissen Seen auch die Technik an ihr Limit kommt: Der Hallwilersee – bereits seit 1986 künstlich mit Sauerstoff versorgt – ist mittlerweile so warm, dass der Kanton Aargau laut CH Media seine Druckluftanlage nur noch in der Nacht einsetzen kann.
Ein Omen für die Zukunft? Bereits seit Jahrzehnten kämpfen zahlreiche Seen in der Schweiz mit zu vielen Nährstoffen im Wasser. Die Gefahr: Algenblüten, Sauerstoffknappheit, Fischsterben. Mit dem Klimawandel kommen die Gewässer weiter unter Druck. Doch viele Kantone zögern, etwas zu tun.
Bund fordert Massnahmen, bezahlt aber nur wenig
«Der Temperaturanstieg kann nur mit umfassenden Klimaschutzmassnahmen abgefedert werden», schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf Anfrage. Doch geht es um den Gewässerschutz, hält sich der Bund zurück. Die Rettung der Schweizer Seen sei vornehmlich Sache der Kantone.
Die Kantone Aargau und Luzern waren dabei Pioniere. Im Baldeggersee, Hallwilersee und Sempachersee wird bereits seit Jahrzehnten versucht, die Überdüngung des Wassers abzufedern. Die Landwirtschaft brachte die Seen an ihr Limit.
Die Rettungsprojekte bleiben weiterhin die einzigen ihrer Art in der Schweiz. Die künstliche Belüftung ist nur ein Teil davon. Sie wird von den Kantonen finanziert, genauso auch die Abwasserreinigung. Laut Bafu stellt der Bund nur Geld zur Verfügung, wenn es um Massnahmen geht, die direkt bei der Landwirtschaft ansetzen.
Klimawandel entzieht den Seen Sauerstoff
Trotz der jahrzehntelangen Bemühungen: Der Nährstoffgehalt liegt in den Seen weiterhin über den Zielen, der Sauerstoffgehalt darunter. Und nun werden sie immer wärmer.
«Das Sauerstoffproblem in den Seen wird durch den Klimawandel verschärft, gleichzeitig sind wir aber auch immer noch in der Erholungsphase von der Überdüngung», sagt Martin Schmid (54), Experte für Oberflächengewässer beim Wasserforschungsinstitut Eawag.
Der Handlungsbedarf ist gross, sagen sowohl Schmid als auch der Bund. In den Regionen sorgt der Umstand aber für Schwierigkeiten. So bräuchte etwa auch der überdüngte Zugersee endlich eine künstliche Lunge. Das Projekt würde die Kantone Luzern, Zug und Schwyz rund 11,2 Millionen Franken kosten. Dazu kämen jährliche Betriebskosten von 600’000 Franken.
Kantone streiten wegen Kosten
Doch statt grosser Rettungsaktion wird der See zum interkantonalen Streitfall: Während Luzern und Zug bereits grünes Licht gaben, stellte sich das Schwyzer Kantonsparlament im April quer. Wie es mit dem Projekt weitergeht, bleibt ungewiss.
Dabei könnte die Untätigkeit verheerende Folgen haben: Durch die höheren Temperaturen sinkt der Sauerstoffgehalt im Wasser weiter, besonders im Spätsommer.
Problematisch wird dies laut Schmid, wenn dann gleichzeitig hohe Oberflächentemperaturen herrschen. «Fische, die eher niedrige Temperaturen bevorzugen, finden dann keinen Lebensraum – weder in der zu warmen Oberflächenschicht noch im sauerstoffarmen Tiefenwasser. Im schlimmsten Fall kann das zu Fischsterben führen», so der Experte. Die Gefahr bestehe vor allem in kleineren Seen wie etwa dem Greifensee oder dem Pfäffikersee im Kanton Zürich – weniger in Grossgewässern wie dem Zürichsee.
Folgen sind kaum vorauszusagen
Das hat auch Einfluss auf den Menschen: Die höheren Temperaturen begünstigen laut Schmid auch das Wachstum giftiger Algen – oder das Gedeihen von Entenflöhen, die bei Badenden zu Hautausschlägen führen können. Keine sonnigen Aussichten für alle, die sich von der Hitze abkühlen möchten.
Die Prozesse seien jedoch komplex, so Schmid. Die Folgen seien von See zu See unterschiedlich – und oftmals kaum vorauszusagen. Was uns die Rettung der Gewässer kosten wird, bleibt somit weiterhin ungewiss.