Darum gehts
- Shoppi Tivoli führt Parkgebühren ein, VCS-Deal sorgt für Kritik
- Gewerbeverband-Direktor bezeichnet VCS-Vorgehen als Erpressung
- Ikea: 20 Prozent der Kunden nutzen ÖV – auch dank Parklplatz-Deal
Im Shoppi Tivoli kommt es zur Zeitenwende. Seit dem 1. Juli kostet das Parkieren im Einkaufszentrum in Spreitenbach AG bereits ab der ersten Stunde. Das neue Gebührenregime stürzt eine 55-jährige Regel: Seit der Eröffnung im Jahr 1970 durften Einkaufsfreudige ihr Fahrzeug die ersten 45 Minuten gratis auf den Parkfeldern abstellen.
Grund für die Erhöhung ist ein ungewöhnlicher Deal zwischen dem Shoppi und dem kantonalen Verkehrs-Club (VCS). Es ist nicht das erste Mal, dass der VCS die Detailhändler mit Einsprachen erfolgreich unter Druck setzt. Die Masche beschäftigt nun auch die Politik.
Gewerbeverband spricht von Erpressung
Die Detailhändler, Shoppi-Chef Patrick Stäuble (55), die Kundschaft – sie alle zeigen wenig Begeisterung über die Erhöhung. «Wir hatten keine Wahl», so Stäuble gegenüber der «Aargauer Zeitung». Denn die Gebühren sind Teil einer Vereinbarung, die vor sechs Jahren getroffen wurde. Damals erhob der VCS Einsprache gegen das Mega-Bauprojekt Tivoli Garten neben dem Shoppingcenter.
Das Shoppi kämpfte bis vor Bundesgericht für seinen Neubau – und musste schliesslich auf einen Kompromiss einlenken. Der VCS habe im Gegenzug auf weitere Einsprachen gegen das Projekt mit 445 Wohnungen verzichtet.
Gegenüber dem Onlineportal Streetlife.ch kritisiert unter anderem Urs Furrer (52), der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV), den Deal. «Wenn NGOs Parkgebührenerhöhungen fordern als Gegenleistung für die Bewilligung von Bauprojekten, grenzt das an Erpressung», wird Furrer zitiert.
«Linksgerichteter» Verkehrs-Club
Die Praxis sei Ausdruck einer generell autofeindlichen Haltung, so der SGV-Chef weiter. Das Gewerbe sei auf genügend Parkplätze für Kundschaft und Lieferdienste angewiesen. «Ob Parkgebühren erhoben werden und auch deren Höhe, sollte im Sinne der Eigentumsfreiheit grundsätzlich dem Eigentümer überlassen werden.» Furrer fordert zudem, dass die Beschwerderechte beschränkt werden sollen.
Auch die Lokalpolitik spart auf dem Onlineportal nicht mit Kritik: Der Spreitenbacher SVP-Chef und Gemeinderat Edgar Benz (63) moniert, dass der Vertragsbestandteil «durch den allgegenwärtig erpresserischen und linksgerichteten VCS» initiiert worden sei. Er sei grundsätzlich gegen Parkgebühren für privat errichtete Parkflächen. Denn diese würden weder die Steuerzahlenden noch den Staatsapparat belasten.
Die Parkplatz-Masche des VCS
Benz schiesst zugleich auf eine andere Gruppe von Verkehrsteilnehmenden: «Es sollten auch Gebühren für die Nutzung der von den Automobilisten bezahlten Radwege erhoben werden.» Damit trauert der SVP-Politiker der bereits seit vielen Jahren abgeschafften Velovignette nach. Erst letzten Mai lehnte der Bundesrat einen Vorstoss zur Wiedereinführung ab.
Gegenüber der «Aargauer Zeitung» will der VCS zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Die Aargauer Sektion teilt lediglich mit, dass sie mit der Kommunikation des Shoppis «gar nicht glücklich» sei.
Dabei hat das Vorgehen der kantonalen Abteilung des Verkehrs-Clubs System: Die Eröffnung des nahe gelegenen Ikeas geschah ebenso nur unter Auflage der Umweltverbände. Genauso geschah es auch bereits in anderen Schweizer Gemeinden.
Höhere Hemmschwelle für Autofahrer
Nicht nur die Aargauer Sektion nutzt die Parkplatz-Masche: 2007 erzwang der VCS etwa einen ähnlichen Deal mit der Mall of Switzerland in Ebikon LU – und verzichtete im Gegenzug auf weitere Einsprachen gegen eine Wohnüberbauung.
Vor rund sechs Jahren brachte dasselbe Vorgehen auch in Kaiseraugst AG beim Einkaufszentrum Liebrüti und dem Coop Megastore den gewünschten Erfolg. Neben der Gebührenerhöhung musste Coop bei seiner Filiale unter anderem die Anzahl Parkplätze um rund ein Viertel reduzieren.
«Es geht dem VCS nicht darum, ‹Autofahrer abzuzocken›, sondern die Hemmschwelle für die Benutzung des Autos zu erhöhen», erklärte sich damals Christian Keller (57), Geschäftsführer der VCS-Sektion Aargau.
Ikea begrüsst das Parkplatz-Regime
Zumindest SVP-Gemeinderat Edgar Benz hält von der Argumentation wenig: Die Gebühren seien ein Rohrkrepierer und reine Schikane für Autofahrende. «Ich glaube nicht, dass sich die Kunden aufgrund dieser Preiserhöhung von einem Besuch abhalten lassen oder dies auch nur eine Autofahrt weniger verursachen würde.»
Ausgerechnet einer der betroffenen Einkaufstempel nimmt Benz den Wind aus den Segeln. «Mehr als 20 Prozent unserer Kundschaft kommt seit Inbetriebnahme der Limmattalbahn gerne mit dem ÖV in unser Einrichtungshaus», teilt Ikea auf Medienanfragen mit.
Mit den Einnahmen finanziere das Unternehmen zudem direkt den regionalen ÖV und investiere in lokale Nachhaltigkeitsprojekte – etwa in eigene Biodiversitätsflächen oder Bienenhotels. Zudem: Holen Autofahrerinnen und Autofahrer ihre Bestellungen ab, statt durch das Möbelhaus zu flanieren, seien die ersten 30 Minuten sogar gratis.