Dieses Modell könnte die Arbeitswelt revolutionieren
Job-Auszeit für alle in der Schweiz – ohne Renten-Loch!

Eine Pause vom Job, ohne dass die Rente darunter leidet – ist das bald möglich in der Schweiz? Forschende arbeiten an einem spektakulären Modell. Es wird mit Geldern des Staates und grosser Firmen entwickelt. Das Projekt weckt viele Hoffnungen.
Publiziert: 08:44 Uhr
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Aktualisiert: vor 9 Minuten
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Eine Job-Pause ohne Angst vor dem Rentenloch? Forschende tüfteln daran.
Foto: imago/Chris Emil Janssen

Darum gehts

  • Forschungsprojekt entwickelt Modell zur Vorfinanzierung von Auszeiten vom Job
  • Ziel ist Auszeiten für alle, ohne langfristige finanzielle Nachteile
  • Es gibt auch andere Ideen, etwa ein Zeitwertkonto
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Ferien vom Job, ein Sabbatical, einfach ein paar Monate weg – für viele ein Traum. Für andere ist es schlicht eine Notwendigkeit, etwa für Weiterbildungen oder die Pflege von Angehörigen. Doch wer sich eine längere Auszeit nimmt, dem droht ohne Goodwill des Arbeitgebers bald ein dickes Vorsorge-Loch!

Das Bedürfnis nach einer Auszeit steigt, dies zeigen Umfragen. Genau hier setzt ein Forschungsprojekt der Hochschule Luzern an: Ein Team um Professorin und Vorsorgeexpertin Yvonne Seiler Zimmermann (49) arbeitet an einem Modell zur Vorfinanzierung von Auszeiten. Es soll eines Tages zum Standard werden, so das ambitionierte Vorhaben. Abgestützt ist das Projekt breit: Zu den Geldgebern zählen bekannte Unternehmen und die öffentliche Hand.

«Nicht nur für Gutverdienende»

Eine Job-Pause für alle? «Unser Ziel ist es, mit diesem Projekt ein Konzept zu entwickeln, das Auszeiten nicht nur für Gutverdienende oder Angestellte mit arbeitgeberfinanzierter Freistellung ermöglicht, sondern auch für Personen mit tiefem Einkommen», erklärt Seiler Zimmermann auf Anfrage. 

Denn ein zentrales Problem sei, dass eine Auszeit oft zu finanziellen Nachteilen führe – vor allem, weil während dieser Zeit keine Einzahlungen in die Sozialversicherungen erfolgen. So fehlen auch Beiträge in die zweite Säule. «Dies führt später etwa bei der Altersrente zu finanziellen Einbussen», so Seiler Zimmermann. Neben den Mitteln für den Lebensunterhalt müssten daher auch die Beiträge an die Sozialversicherungen gedeckt werden.

Das Forschungsprojekt will dafür eine Lösung entwickeln. Die Rede ist von einem «standardisierten, gesetzeskonformen Modell zur Vorfinanzierung im Schweizer Vorsorgesystem». Es soll die Finanzierung sowohl durch das Ansparen von Zeit – umgerechnet in Geld – als auch durch direkte Geldbeträge ermöglichen. Seiler Zimmermann: «Auf diese Weise können Auszeiten genommen werden, ohne dass langfristige finanzielle Nachteile entstehen.»

Wünschenswert wäre überdies, diese Vorfinanzierung ins bestehende Vorsorgesystem einzubinden – laut der Luzerner Ökonomin «sowohl aus Sicherheitsgründen als auch im Hinblick auf steuerliche Aspekte». Wie genau das umgesetzt wird, wird die laufende Forschung zeigen. Geplant ist auch ein interaktives Beratungstool. Es könnte den Arbeitnehmenden künftig helfen, die Höhe und Dauer ihrer Auszeit zu planen.

Mehr Zufriedenheit dank Auszeit?

Die Verantwortlichen verweisen auf klare Vorteile: Eine Auszeit verbessere die Work-Life-Balance und steigere die Zufriedenheit. Auch Firmen profitierten dank weniger Krankheitsausfällen und stärkerer Bindung. Manche Unternehmen ermöglichen bereits Auszeiten und finanzieren sie mit – doch nicht alle können sich das leisten.

Der Bedarf nach einem neuen Modell scheint gross. Unterstützt wird das Forschungsprojekt unter anderem von der Zürcher Kantonalbank, den Basler Verkehrsbetrieben und dem Kantonsspital Luzern. Hauptsponsor ist der Vorsorgedienstleister PensExpert. Die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz ist ebenfalls Partner. Und Gelder kommen auch von Innosuisse, der staatlichen Agentur für Innovationsförderung.

Vorsorge nicht mehr nur fürs Alter

Wie kann man sein Arbeitsleben flexibler gestalten, ohne dass Lücken in der Vorsorge entstehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch die Politik. Ein Modell, das in Deutschland schon erprobt ist, ist das Zeitwertkonto. Dabei können Angestellte Überstunden oder einen Teil ihres Lohns auf ein Konto einzahlen – und damit später eine Auszeit finanzieren. Etwa für eine Weiterbildung, ein Sabbatical, die Pflege von Angehörigen oder um früher in Pension zu gehen.

In der Schweiz ist das Modell noch kaum bekannt. Eine repräsentative Umfrage des Instituts Sotomo im Auftrag von PensExpert zeigte kürzlich: Sobald den Leuten das Prinzip erklärt wird, finden es viele gut. Drei Viertel bewerten die Idee positiv, zwei Drittel könnten sich vorstellen, ein solches Konto zu nutzen.

Die Studienautoren betonen mit Verweis auf die Umfrage: Für die Bevölkerung bedeutet Vorsorge längst nicht nur Altersrente, sondern finanzielle Sicherheit in allen Lebensphasen. Und die Offenheit gegenüber Neuerungen im Vorsorgesystem sei gross.

Es gab schon verschiedene Ideen, die zweite Säule zu öffnen – etwa, um Eltern längere Auszeiten zu ermöglichen. Allerdings hatten es Vorschläge, die berufliche Vorsorge stärker an neue Lebensentwürfe anzupassen, bislang schwer.

Die erwähnte Sotomo-Umfrage wurde im Februar 2025 online bei über 2300 Personen durchgeführt. Die Resultate sind repräsentativ für die sprachintegrierte Bevölkerung in der Deutsch- und Westschweiz. 

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