Die Partei spricht von einer «Winkelried-Aktion»
Die Grünen greifen SVP-Bundesratssitz an

Die Grünen wollen tatsächlich den frei werdenden Bundesratssitz angreifen. Zahlreiche Mitglieder der Bundeshausfraktion sprechen sich derzeit dafür aus – obwohl das Unterfangen aussichtslos ist.
Publiziert: 13.10.2022 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2022 um 11:12 Uhr
Daniel Ballmer

Die Grünen wollen Ernst machen. Blick-Recherchen zeigen: Sie wollen den frei werdenden Sitz von SVP-Finanzminister Ueli Maurer (71) tatsächlich mit einer eigenen Kandidatur angreifen.

Der endgültige Entscheid soll zwar erst am kommenden Dienstag gefällt werden – oder gar vertagt. Denn es gebe noch ein paar Zweifler. Eine Mehrheit der Fraktion spricht sich derzeit aber klar für eine Kampfkandidatur aus – egal, ob der als konziliant geltende SVP-Favorit Albert Rösti (55) antritt oder ein Hardliner. «Rösti hat zwar einen umgänglicheren Stil, er vertritt aber genauso SVP-Werte wie alle anderen», sagt ein Fraktionsmitglied.

«Wir wollen uns nicht ständig hinhalten lassen»

Rein rechnerisch steht den Grünen seit ihrem Erdrutschsieg bei den Wahlen 2019 tatsächlich ein Regierungssitz zu. Die Bundesratsparteien aber zeigen bisher keine Lust, ihre Macht abzugeben. «Wir wollen uns nicht ständig hinhalten lassen», heisst es nun aus der Grünen-Fraktion. Oder: «Die SVP hat unseren Anspruch nicht respektiert, warum sollten wir es umgekehrt machen?»

Die Grünen wollen Ernst machen und planen, den Sitz des zurücktretenden SVP-Bundesrats Ueli Maurer anzugreifen.
Foto: keystone-sda.ch
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Ein weiteres Argument: Wenn die Grünen jetzt nicht antreten, würde das nicht verstanden. «Wir würden unsere eigenen Ansprüche unterminieren», heisst es aus der Fraktion. Gerade die starke Romands-Gruppierung habe wenig Hemmungen, die SVP anzugreifen. «Den idealen Zeitpunkt gibt es ohnehin nicht.» In der Parteibasis soll es ähnlich tönen.

Ein Himmelfahrtskommando – aus Prinzip

Der Schönheitsfehler: Eine grüne Kandidatur hat gegen das offizielle SVP-Ticket nicht den Hauch einer Chance. Dass der mit Abstand grössten Partei des Landes zwei Plätze im Bundesrat zustehen, daran rüttelt nicht einmal die SP. Das wissen auch die Grünen. Parteiintern ist schon von einer «Winkelried-Kandidatur» die Rede.

Dennoch wollen viele am Himmelfahrtskommando festhalten – aus Prinzip, als Signal für den aus ihrer Sicht fast schon überfälligen Anspruch. Stellt sich die Frage, wer sich auf ein derart auswegloses Unterfangen einlassen soll. Schliesslich müssen die Grünen trotzdem mit einer Persönlichkeit antreten, der das Amt auch zuzutrauen ist, wollen sie sich nicht lächerlich machen.

Anders als seine Vorgängerin Regula Rytz (60) im Dezember 2019 aber wird Parteipräsident Balthasar Glättli (50) nicht zur Verfügung stehen. Das hat er schon mehrfach öffentlich erklärt. Auch der als Geheimfavorit geltende Glarner Ständerat Mathias Zopfi (38) hat abgewunken.

Der Blick in die Kantone

Ohnehin solle niemand aus der Bundeshausfraktion verheizt werden. Zudem sollte der Kandidat oder die Kandidatin Exekutiverfahrung vorweisen. Ins Auge gefasst werden deshalb schon jetzt grüne Regierungsräte. Davon aber gibt es schweizweit gerade mal neun, wovon fünf aus der Romandie für einen Deutschschweizer Bundesratssitz schon mal ausscheiden.

Die Berner Regierungsrätin Christine Häsler (59) sowie ihr Zürcher Amtskollege Martin Neukom (36) sind beide noch nicht lange im Amt. Die Solothurnerin Brigit Wyss (62) ist schon 2010 bei einer Bundesratswahl gescheitert. Bliebe einzig der Baselbieter Baudirektor Isaac Reber (61) übrig. Kontakt mit der Findungskommission seiner Partei dementiert er nicht. In der Bundeshausfraktion wird er als eine «sicher valable Kandidatur» betrachtet. Allzu sehr aber wollen sich die Grünen noch nicht in die Karten blicken lassen.

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Ein Achtungserfolg aber dürfte unter diesen Voraussetzungen nur schwer zu erreichen sein. 82 Stimmen wie bei Rytz, und damit ein knappes Drittel aller National- und Ständeräte, werden es kaum werden. Ihren Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat im Hinblick auf die Wahlen in einem Jahr aber würden die Grünen einmal mehr unterstreichen.

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