Bürgerliche Bundesräte stoppten den Sozialdemokraten
Alain Berset wollte eine Homeoffice-Pflicht

Der Bundesrat empfiehlt Homeoffice. Gesundheitsminister Berset wollte weitergehen und hätte damit in manchen Fällen die Arbeitnehmer gestärkt.
Publiziert: 01.11.2020 um 11:33 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2020 um 15:31 Uhr
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Da sitzen wir wieder: Der Bundesrat empfiehlt Homeoffice.
Foto: Getty Images
Simon Marti

Abertausende sitzen jetzt werktags wieder da, wo sie schon im Frühling sassen: am Küchentisch, auf dem Sofa, in einer improvisierten Büroecke auf dem Flur oder im Schlafzimmer. Das Homeoffice ist ein Eckpfeiler im Kampf gegen die Pandemie. Am Mittwoch empfahl der Bundesrat die Bildschirmarbeit zu Hause nochmals explizit.

Gesundheitsminister Alain Berset (48, SP) wollte sogar einen Schritt weitergehen: Recherchen zeigen, dass er im Bundesrat beantragte, Homeoffice nicht nur zu empfehlen, sondern zur Pflicht zu erklären: für alle Betriebe, bei denen es nur irgendwie möglich ist.

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Pflicht statt Empfehlung – da geht es um mehr als nur Symbolik: Hätte sich Berset mit seiner Vorstellung einer staatlichen Homeoffice-Order durchgesetzt, wären bedeutende rechtliche Konsequenzen entstanden. Konsequenzen, welche die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat offenbar scheute. Sie schmetterte den Antrag ab.

Rechtlich heikel

Denn so schön es ist, wenn der Arbeitsweg am Kühlschrank vorbeiführt, Homeoffice bringt arbeitsrechtliche Fragen mit sich, die für das Einvernehmen der Sozialpartner Zündstoff bergen.

Der Arbeitgeberverband schlägt in seinem aktuellen Leitfaden eine Mustervereinbarung vor, welche die Kosten für Möbel, elektronische Geräte oder die Internetverbindung mir nichts, dir nichts dem Arbeitnehmer aufbürdet.

Wörtlich heisst es darin: «Der Arbeitgeber leistet keine Entschädigung für Miete, Heizung, Wasser oder andere, für gewöhnlich von dem/der Arbeitnehmenden getragenen Kosten.»

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Die Gewerkschaften sehen dies anders. Und auch aus arbeitsrechtlicher Sicht machen es sich die Arbeitgeber ein wenig zu einfach. Kürzlich befand das Bundesgericht, ein Unternehmen, das dem Angestellten keinen festen Büroplatz biete, müsse einen Teil der Kosten des Homeoffice bezahlen.

Hätte die Landesregierung, wie von Berset vorgeschlagen, die Schweiz auf Homeoffice verpflichtet, wäre die Position von Arbeitnehmern in manchen Streitfällen gestärkt worden. Und: Wer sich trotz Pflicht zum Homeoffice da­gegen gesträubt hätte – sei es der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber – hätte rechtlich einen schwereren Stand.

Arbeitgeber trägt kosten

«Wenn sich ein Arbeitnehmer weigert, im Homeoffice zu arbeiten, verlöre er den Anspruch auf seinen Lohn», sagt der Arbeitsrechtler und emeritierte HSG-Professor Thomas Geiser (68). «Umgekehrt könnte ein Arbeitnehmer, bei dem Homeoffice möglich ist, nicht gezwungen werden, weiterhin im Büro zu arbeiten.» Klar sei, dass die Arbeit­geber bei einer Homeoffice-Pflicht ­ihren Mitarbeitenden die ­Arbeitskosten erstatten müssten, die Druckerpatronen zum Beispiel oder den Schreibtisch.

Geiser: «Einigen sich die Parteien nicht, hätten die Arbeitnehmenden die bessere rechtliche Ausgangslage, diese Ausgaben auch tatsächlich erstattet zu bekommen.»

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