Auch um Afghanistan-Flüchtlinge zu retten
Schweizer Parlamentarier fordern eigene Transportflugzeuge

Fieberhaft versucht die Schweiz, lokale Mitarbeitende aus Afghanistan auszufliegen. Eine schwierige Aufgabe – auch weil der Bund keine eigenen Transportflugzeuge hat. Nun wird im Parlament erneut die Forderung nach dem Kauf solcher Flieger laut.
Publiziert: 17.08.2021 um 17:02 Uhr
|
Aktualisiert: 17.08.2021 um 19:56 Uhr
Die blitzschnelle Eroberung der afghanischen Hauptstadt Kabul hat den Westen überrumpelt.
Foto: DUKAS
1/11
Daniel Ballmer

Fieberhaft sucht das Aussendepartement nach Lösungen. Nach der Machtübernahme der Taliban hoffen in der afghanischen Hauptstadt Kabul weiter 38 lokale Mitarbeitende der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) samt ihren engsten Verwandten auf Rettung.

«Wir sind immer noch im Krisenmodus», betonte Aussenminister Ignazio Cassis (60) am Montag vor den Medien. Die Schweiz versuche nach wie vor, rund 230 Personen auszufliegen. Auch 28 Schweizerinnen und Schweizer halten sich für internationale Organisationen weiterhin im Land auf.

Die Zeit drängt. Die lokalen Mitarbeitenden könnten von den Taliban als westliche Kollaborateure angesehen werden und müssten dann um Leib und Leben fürchten. Sie sollen so rasch wie möglich gerettet werden. Nur: Die Schweiz ist dabei auf das Wohlwollen anderer Staaten angewiesen. Selber kann sie niemanden ausfliegen. Es fehlen geeignete Maschinen.

«Wir waren schon mehrfach auf Hilfe angewiesen»

«Wir waren schon mehrfach auf Hilfe angewiesen», sagt GLP-Nationalrat Beat Flach (56). Etwa bei der Evakuierung von Mitarbeitenden der Schweizer Botschaft in Libyen im Jahr 2014, bei Einsätzen in Katastrophengebieten wie nach dem Tsunami von 2005 in Sumatra oder für die Versorgung der friedensfördernden Mission Swisscoy im Kosovo.

«Ich würde es begrüssen, wenn die Schweiz selber ein bis zwei Transportflugzeuge beschaffen würde, gerade für humanitäre Einsätze in Katastrophengebieten», sagt Flach. Denn für Transporte weit über die Landesgrenzen hinaus benötigt der Bund nach wie vor private Anbieter – oder die Hilfe fremder Staaten.

Hier klammern sich die Menschen an die US-Maschine
1:44
Flucht aus Kabul:Hier klammern sich die Menschen an die US-Maschine

Politiker fordern bereits eigene Transportflugzeuge

Flach ist damit nicht alleine. SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez (63) hat bereits im vergangenen Dezember via Vorstoss den Kauf eines Transportflugzeugs für militärische, zivile und humanitäre Einsätze angeregt. Immerhin betone der Bundesrat seit Jahren, dass er das Engagement der Schweiz in der militärischen Friedensförderung verstärken wolle. «Die jetzige Situation zeigt einmal mehr, dass wir solche Flugzeuge gerade für humanitäre Zwecke brauchen könnten», sagt auch SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf (52).

Der Bundesrat aber wollte bisher von einem Flugzeugkauf nichts wissen. Zwar bestehe durchaus Bedarf an solchen Transportmaschinen. Die Schweiz aber stütze sich auf zivile Anbieter. Zudem hätten bereits diverse europäische Staaten Transportflugzeuge beschafft, sodass beim strategischen Lufttransport sogar Überkapazitäten bestünden. Diese könne auch die Schweiz nutzen.

«Während der Corona-Pandemie hat sich etwa bei der Maskenbeschaffung gezeigt: Wenn es eng wird, braucht jeder Staat eigene Mittel», entgegnet SVP-Nationalrat Thomas Hurter (57). Der Lufttransportdienst des Bundes sollte daher seine Flottenpolitik überdenken. Die Schweiz brauche «vernünftiges Equipment», auch Transportflugzeuge. Und zwar besser zwei als nur eines, falls eines ausfalle. «Allerdings dürften sie andere wichtige Armee-Projekte nicht kannibalisieren», stellt Hurter klar.

Bisher sind sämtliche Anläufe gescheitert

Das Parlament ringt schon seit Jahren um den Kauf von Transportflugzeugen. Bisher aber ist das Geschäft stets gescheitert, zuletzt an einer Allianz von SVP und SP. Die SVP war dagegen, weil sie Auslandseinsätze der Armee grundsätzlich ablehnt. Die Linke befürchtete, dass die Flugzeuge für die Rückführung Asylsuchender verwendet werden könnten.

Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (40) hat auch heute noch Bedenken. «Wir haben uns immer gegen Flugzeuge gewehrt, die für Auslandseinsätze der Armee verwendet werden können», sagt sie. «Daran ändern auch die Ereignisse in Afghanistan nichts.» Natürlich müssten die Menschen ausgeflogen werden, aber dafür könne die Schweiz auch weiterhin Flugzeuge mieten. «Ich glaube nicht, dass Schweizer stärker gefährdet sind, weil wir kein eigenes Transportflugzeug haben.»

Hat die Welt in Afghanistan versagt?
38:19
Politiker über die Lage:Hat die Welt in Afghanistan versagt?
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?