Darum gehts
- Bundesrat Albert Rösti führt traditionelle Wanderung im Emmental durch
- Rösti zeigt sich volksnah, spielt Alphorn und geniesst Emmentaler Spezialitäten
- Rund 170 Leserinnen und Leser nehmen an der Bundesratswanderung teil
Wenn Engel reisen, lacht der Himmel», sagt Bundesrat Albert Rösti (57) bei seiner Begrüssungsrede in der Kirche Würzbrunnen im Emmental. Entgegen aller Voraussagen zeigt sich das Wetter am Tag der traditionellen Bundesratswanderung von der freundlichen Seite. Zwar hängen dicke Wolken über den Berner Alpen, doch in Röthenbach wirft die Sonne ihre Strahlen durch die Kirchenfenster.
In ihrem Heimatkanton übernehmen Bundesrat Rösti und seine Frau Theres (56) von Beginn an die Rolle der Gastgeber. Vor der Kirche, die Franz Schnyder als Filmkulisse für die Gotthelf-Werke diente, begrüssen sie die rund 170 Leserinnen und Leser der Schweizer Illustrierten und der «L’illustré» mit einem Händedruck. «Schön, sind Sie da. Bienvenue dans l’Emmental.»
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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«Heute überwinden wir den Röstigraben wortwörtlich», sagt SI-Chefredaktorin Silvia Binggeli bei der Vorstellung des Programms und erklärt, dass nachher «unser Star» ein paar Worte an die Wandergruppe richten wird. «Wer ist der Star?», fragt der SVP-Bundesrat augenzwinkernd seine Frau.
Es sei auch für ihn ein grosses Privileg, so Rösti später, dass er mit so vielen Menschen aus allen Landesteilen einen Tag verbringen darf. «Man kennt sich nicht, aber durchs Wandern fühlt man sich verbunden.» Dann ermutigt er alle, die etwas auf dem Herzen haben, ihn anzusprechen. «Gerne auch kritisch!»
Die erste Etappe führt die Wandergruppe vom Würzbrunnenkirchlein durch den Wald über sanfte grüne Weiden zum Chuderhüsi auf 1111 Metern über Meer. Mit dabei ist auch eine Gruppe von Uetendorfern aus dem Wohnort der Röstis. Marlies Lanz (73) ist mit Theres Röstis Eltern befreundet, kennt sie schon seit der Schule.
Alois Christen (75) hat Albert Rösti 2008 zu seinem ersten Exekutivamt im Uetendorfer Gemeinderat motiviert. «Albert war immer ein blitzschneller Denker. Aber stets auch sehr sozial.» Er grüsse immer noch jeden im Dorf, komme auch mal auf ein Kafi, ergänzt seine Frau Pia. «Er ist gäng auf dem Boden geblieben.»
Das bestätigt Theres Rösti. «Es gibt Menschen, die sich durch Macht verändern. Albert gehört nicht zu ihnen.» Er habe es schon immer genossen, unter Menschen zu sein. «Darum mag er auch Tage wie heute. So tankt er Kraft.» Vor 37 Jahren eroberte der Kandersteger Albert Rösti das Herz seiner Gymi-Liebe, vor 31 Jahren heirateten sie in der Kirche in Uetendorf, wo Theres als Kind getauft wurde.
Ferien mit Verwandtschaft aus USA
Hochzeit feierten die Röstis auch am Tag vor der Bundesratswanderung – nämlich jene ihres Sohnes André (29) mit Markelle Kelly (27). Er und die Amerikanerin aus Washington lernten sich während Corona an der Universität Irvine in Kalifornien kennen, wo beide ihren Doktor in Cybersecurity und Machine-Learning gemacht haben.
«Sie heisst jetzt übrigens auch Rösti», erzählt die Schwiegermutter schmunzelnd. Auch dabei war Tochter Sarina (24). Sie unterrichtet Ballett und macht daneben die Erwachsenenmatur. «Das Fest war wundervoll, aber jetzt bin ich ferienreif», sagt Theres Rösti.
Auch ihr Mann freut sich auf zwei freie Wochen, die sie mehrheitlich in der Schweiz verbringen werden. «Die letzten Monate waren sehr streng.» Zu den vielen Geschäften im eigenen Departement kamen im Bundesrat der Handelsstreit mit den USA und die Diskussionen um den Fixpreis des F35-Jets dazu.
Besonders nahe ging ihm der Bergsturz von Blatten. «Ich habe Menschen in die Augen geschaut, die alles verloren haben. Das beschäftigt mich bis heute.» Es habe ihm gezeigt, wie wichtig die eigene Heimat ist und dass die Schweiz dezentral besiedelt bleiben muss, «so wie hier im Emmental».
«Der Rösti ist da!»
Bundesrat Rösti und die Leserschaft wandern vorbei an den jahrhundertealten Emmentaler Bauernhäusern mit ihren typischen Walmdächern, die weit über die Seiten reichen. Barbara Frehner (61) aus Winkel bei Bülach ZH erzählt dem Bundesrat, dass ihre Eltern schon mit ihm gejasst haben. «Beim Jassen ist man sich ja immer per Du», sagt sie. «Beim Wandern auch», erwidert er. «Ich bin der Albert.»
Einige Wanderer nehmen Röstis Aufforderung ernst und sprechen den Vorsteher des Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation auf politische Geschäfte an. Etwa wie es mit dem Grimseltunnel aussehe, ob er etwas gegen die Poststellen-Schliessungen unternehmen kann und wie es um die Rheinschifffahrt stehe.
«Bei allen Anliegen spürte ich die moralische Unterstützung», sagt er später. Gute Wünsche gibt es auch von den Röthenbachern, die ihm von den Terrassen ihrer Häuser mit den leuchtend rosa Geranien zuwinken – dank Buschtelefon haben alle erfahren, dass «der Rösti» vor Ort ist.
Sie sei mehr als ein «Geranium zur Zierde», sagte Theres Rösti der «NZZ». Das Interesse der Medien an den Partnerinnen und Partnern der Bundesräte habe zugenommen, stellt sie fest. «Ich nehme gerne Stellung, aber Politik mache ich keine. Ich habe mein eigenes Leben.»
Noch immer arbeitet sie 60 Prozent als Flight-Attendant in der First Class der Swiss, wo sie seit der Wahl ihres Mannes in den Bundesrat wieder unter ihrem Mädchennamen fliegt. Damit die gemeinsame Zeit nicht zu kurz kommt, sitzt das Paar jeden Sonntagabend zusammen und vergleicht die Agenden.
«Ich versuche, dreimal pro Woche in Bern zu übernachten», sagt sie. Dann stehe sie jeweils frühmorgens um fünf oder halb sechs Uhr auf und fahre nach Uetendorf, um nach Pferd Livia und dem Pony Rosy zu schauen. «Die Tiere sind mir wichtig. Ich bin keine Frau, die morgens mit dem Kaffee auf ihren Mann wartet.»
Aaresack gegen heisse Köpfe
Auf der letzten Etappe vom Chuderhüsi durch den Gauchernwald runter zum Biohof Wielandleben fallen die ersten Regentropfen. Rösti montiert seinen Regenschutz, läuft zügig. Zum Sport – Radfahren oder Wandern – komme er momentan leider nur am Wochenende. «Beat Jans geht frühmorgens jeweils joggen. Chapeau! Ich brauche meinen Schlaf, um genug Energie für die strengen Tage zu haben.»
Vielleicht trifft man Rösti dafür bald mal am Feierabend in der Aare. Denn als Dank für seinen Emmentaler Wandereinsatz bekommt der Magistrat von Andreas Wyss, Co-Präsident von Bern Welcome, einen wasserdichten Aaresack mit den Worten: «Falls es im Bundesrat mal heisse Köpfe gibt.»
Angesprochen auf die Stimmung in der Landesregierung, sagt Rösti: «Die ist sehr gut.» Der neue VBS-Chef Martin Pfister passe wunderbar ins Gremium. Was das Debakel um die Beschaffung der F35-Kampfjets angehe, sei es wichtig, dass die Kommission den Deal nun genau untersuche. Klar ist für Rösti: «Eine Alternative zum US-Jet gibt es nicht.»
Röstigraben verschwindet
Als einer der Ersten beim Brunch auf dem Biohof Wielandleben trifft Leo Brügger aus Kriens LU ein. Mit 85 Jahren ist er wohl der älteste Wanderer der Gruppe, was Rösti später mit einem Sonderapplaus honoriert.
Bevor der Bundesrat selber zu Rösti, Emmentaler Mutschli, Rindstrockenfleisch und Most greift, lässt er es sich nicht nehmen, ins Alphorn von Ueli Hegnauer zu blasen. Und siehe da – er kann sogar eine Melodie spielen! Die Zuhörer klatschen begeistert.
Unter den Klängen des Örgeliduos Echo vom Chuderhüsi stossen Leserinnen und Leser aus der Deutschschweiz und der Romandie im Stall miteinander an. «Spätestens mit diesem Brunch verschwindet der Röstigraben», sagt der Bundesrat und bedankt sich rührend bei seiner Frau. «Merci, Theres, für alles, was du für mich machst.» Als Gesprächspartnerin und wichtige Stütze sei sie für ihn «unersetzlich», sagt er später beim Besuch der Ponys des Biohofs. Dann verabschieden sich die beiden heimwärts.
Just als die letzte Wanderin in den Car steigt, verfinstert sich der Himmel, es giesst wie aus Kübeln. Die Engel, die Rösti zu Beginn erwähnt hat – sie sind im Trockenen.