Das Land, wo Milch und Honig fliessen, gibt es wirklich. Sein klingender Name: Akademien der Wissenschaften Schweiz. Dahinter verbirgt sich ein Verbund aus Einzel-Akademien – Naturwissenschaft, Sozial- und Geisteswissenschaft, Medizin und Technik – sowie weiteren Netzwerken, ein Ungetüm aus Kommissionen, Konferenzen, Panels, Taskforces, Plattformen, Preisverleihungen und Tagungen.
Die Organisation sieht sich als Scharnier zwischen Forschung und Gesellschaft. Prüfenden Blicken eröffnet sich eine Welt in Watte, frei von Unvernunft und Unflätigkeiten; eine Welt mit Hochglanzbroschüren, hochkarätigen Podien – und hohen Geldbeträgen. Denken kostet.
59 Millionen Franken mehr
Die Akademien planen im Vierjahresrhythmus. Für die laufende Periode von 2017 bis 2020 wurden insgesamt 169 Millionen Franken gesprochen. Der Bund knüpft seine Subventionen an eine sogenannte Leistungsvereinbarung. Deren Basis ist der Wunschzettel der Akademien, offiziell «Mehrjahresplanung» genannt.
Nun geht es um die Finanzierung der nächsten Periode. Der Bundesrat will im Februar die sogenannte Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) dem Parlament vorlegen. Darum haben die Akademien der Wissenschaften schon mal ihre Forderung für 2021 bis 2024 aufgestellt: 228 Mil lionen Franken – 59 Millionen mehr.
Kein externes Controlling
Warum diese Zunahme um mehr als ein Drittel? «Die Anforderungen sind vielfältiger und grösser geworden», sagt Claudia Appenzeller, Vorsitzende der Geschäftsleitung. «Nimmt man dies zum Massstab, ist unser Mittelaufwand unterdurchschnittlich gewachsen.» In den dazugehörigen Unterlagen ist von «neuen gemeinsamen Aufgaben» die Rede, von «Zusatzaufgaben» und einem «komplexer, vielfältiger und umfangreicher» gewordenen Hintergrund. Der Aktionsradius reicht von «Digital Literacy» über das «Forum für Klima und globalen Wandel» und Nachwuchsförderung bis zu ethischen Aspekten der personalisierten Medizin. Ein bunter Strauss also.
Anders als beim Nationalfonds, der Forschungsprojekte finanziert, ist Laien indes auch nach längerer Befassung nicht klar, wie sich die Akademien abgrenzen – betreiben doch bereits die Hochschulen und Forschungsanstalten selbst fachübergreifende Kooperationen und Öffentlichkeitsarbeit.
Angesichts der stattlichen Beträge an Steuergeldern stellt sich die Frage nach dem Controlling. Interessanterweise sind es weitgehend die Empfänger selber, welche die Mittelverwendung überwachen. Dazu kommen jährliche Subventionsberichte durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).
Verantwortlichen hinterfragen Strukturen grundlegend
SonntagsBlick hat den neusten internen Controlling-Bericht der Akademien der Wissenschaften vom Februar 2019 eingesehen. Neben schmeichelhaften Resümees zu einzelnen Projekten kommen die Autoren zu einem erstaunlich selbstkritischen Befund: Die «aktuelle Governance» erschwere «eine effiziente und effektive Steuerung über ein künftiges Globalbudget». Es bestünden «keine strategischen und operativen Interventionsmöglichkeiten» für die Führung; ebenfalls unmöglich seien Budget-Einsicht. Mangelhaft seien die Qualitätskontrolle und die Möglichkeit, Doppelspurigkeiten zu verhindern.
Grund genug für die Verantwortlichen, die Strukturen grundlegend zu hinterfragen. «Evaluation» nennt sich das auf Beamtendeutsch.
Beim Departement von Bildungsminister Guy Parmelin bestätigt man auf Anfrage: «Das SBFI wird eine externe Evaluation betreffend die Organisation der Akademien Anfang nächsten Jahres einleiten.» Das Ziel werde sein, «mögliche Optimierungen zu prüfen. Das Ergebnis wird zeigen, wo konkret Reformbedarf und -potenzial besteht».
Noch ist offen, ob der Bundesrat dem neuen Wunschzettel nachkommt. Dem Vernehmen nach signalisiert Parmelin, dass das Christkind nicht jeden Wunsch erfüllen wird. «Das SBFI hat die Mehrjahresplanung 2021–2024 zur Kenntnis genommen», teilt das Departement mit.