Ai Weiwei kritisiert China-Geschäfte
«Schweizer sind wie Kindergärtler»

Für den chinesischen Künstler Ai Weiwei ist es ein grosser Fehler, dass Bundesrat Ueli Maurer die Vereinbarung zur neuen Seidenstrasse unterzeichnet hat. Es sei naiv zu glauben, dass die chinesische Regierung nun plötzlich Menschenrechte einhalte.
Publiziert: 30.12.2019 um 10:43 Uhr
Im Nordwesten des Landes soll der chinesische Staat Uiguren zur Umerziehung in Lager stecken.
Foto: Human Right Watch
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Erst im November sorgte die Meldung über Internierungslager für Uiguren im Westen Chinas für Empörung. Gleichzeitig scheinen die gewaltsamen Demonstrationen in Hongkong kein Ende zu finden. Wegen der Verletzung von Menschenrechten steht China regelmässig in der Kritik.

Dass die Schweiz trotzdem frisch-fröhlich mit der chinesischen Regierung geschäftet, stösst beim chinesischen Konzeptkünstler Ai Weiwei (62) auf Unverständnis. Im Frühling hat Bundesrat Ueli Maurer (69) die umstrittene Vereinbarung zur neuen chinesischen Seidenstrasse unterzeichnet. Dissident Ai Weiwei bezeichnet das im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» als grossen Fehler.

«Das ist erbärmlich»

Bisher verhalte sich der Westen im Umgang mit China sehr naiv. «Wie Kindergärtler», findet Ai Weiwei. Gerade die Schweizer nimmt er aufs Korn. Nie hätte sie die Vereinbarung zur neuen Seidenstrasse unterzeichnen dürfen, ohne dabei die Menschenrechte zu erwähnen: «Die Schweiz hätte ihr zentrales Argument nicht opfern sollen, und das nur aus finanziellen Gründen. Das ist erbärmlich.» China habe darüber gelacht, dass die hoch angesehene Schweiz ihre eigene Haltung aufgegeben habe, sagt der nach Europa geflohene Künstler.

Eigentlich sei die Schweiz nämlich in einer sehr guten Position, findet Weiwei: «Sie zählte zu den ersten Ländern, die China anerkannt haben. Für China ist die Schweiz eines der vertrauenswürdigsten Länder im Westen.» Gleichzeitig aber müsse sich die Schweiz fragen, mit was für einem Regime sie sich da einlasse. «Die Wirtschaft kümmert das natürlich nicht. Sie ist nur am Profit interessiert», sagt er. Das Problem sei, dass die Schweiz Werte vertrete, die in China nichts zählen würden. Das führe zu einem Widerspruch.

«Das ist Betrug»

Doch auch Weiwei ist klar, dass Schweizer Unternehmen nun nicht einfach aufhören könnten, mit China zu geschäften. Angesichts der Konkurrenz in der globalisierten Welt sei das kaum möglich. «Wenn aber alle grossen Firmen jene zivilisatorischen Werte verleugnen, die dazu beigetragen haben, dass sie überhaupt so gross geworden sind, ist das Betrug», wird er weiter zitiert. Sei es einer Firma egal, mit wem sie Geschäfte macht, «ist das moralisch verwerflich».

Doch auch sich selber nimmt Ai Weiwei nicht von den Vorwürfen aus. Kritisch beurteilt er rückblickend sein Engagement beim Bau des Vogelnest-Stadions der Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron für die Olympischen Spiele 2008. «Damals hofften wir, dass sich China in eine offenere Gesellschaft entwickeln würde», sagt er. «Inzwischen ist bewiesen, dass wir falsch lagen.» (dba)

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