1.-August-Rednerin Heidi Z'graggen schaltet sich in den Rütli-Zoff ein
Hymne sorgt für morgenrote Köpfe

Wer ist der richtige Hüter über das den Schweizern heilige Rütli? Und welche Worte soll das Volk singen, wenn es die Nationalhymne auf der Wiege der Eidgenossenschaft anstimmt? 1.-August-Rednerin Heidi Z'graggen schaltet sich in den Hymnen-Zoff um das Rütli ein.
Publiziert: 21.07.2019 um 23:02 Uhr
|
Aktualisiert: 30.07.2019 um 16:35 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/7
Hält die 1.-August-Rede auf dem Rütli: Heidi Z'graggen.
Foto: Stefan Bohrer
Cinzia Venafro

Und jährlich grüsst ... der Rütli-Zoff! Wenn der Nationalfeiertag in die Nähe rückt, entlädt sich der seit Jahren schwelende Konflikt um die Hoheit über die Rütli-Wiese. Jenen Ort, wo die drei Eidgenossen 1291 die Urschweiz gegründet haben sollen.

2019 streitet man um den Schweizerpsalm. Denn seit 2015 gibt es eine zusätzliche Strophe, welche die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG), die zugleich Verwalterin des Rütli ist, mittels eines Wettbewerbs gesucht hatte. Und die soll am Nationalfeiertag auf der Wiese erklingen.

Das sind die umstrittenen Zeilen

Weisses Kreuz auf rotem Grund,
unser Zeichen für den Bund:
Freiheit, Unabhängigkeit, Frieden.
Offen für die Welt, in der wir leben,
lasst uns nach Gerechtigkeit streben!
Frei, wer seine Freiheit nützt,
stark ein Volk, das Schwache stützt.
Weisses Kreuz auf rotem Grund,
unser Zeichen für den Schweizer Bund.

Weisses Kreuz auf rotem Grund,
unser Zeichen für den Bund:
Freiheit, Unabhängigkeit, Frieden.
Offen für die Welt, in der wir leben,
lasst uns nach Gerechtigkeit streben!
Frei, wer seine Freiheit nützt,
stark ein Volk, das Schwache stützt.
Weisses Kreuz auf rotem Grund,
unser Zeichen für den Schweizer Bund.

1.-August-Rednerin Heidi Z'graggen verteidigt die Rütli-Hüter

Doch genau daran stört sich jetzt eine christlich-konservative Vereinigung namens «Neuer Rütlibund» – präsidiert von SVP-Mann Pirmin Müller (40). Dieser wirft der SGG Missbrauch und «eigennützige Propaganda» vor. Grund: In der neuen Hymnenstrophe wird Gott nicht mehr erwähnt. Darum forderten die selbsternannten Verteidiger der musikalischen Rütli-Tradition vom Bundesrat, dass dem SGG die Rütli-Hoheit entzogen wird.

Zu Hilfe eilt der SGG nun jene Frau, die am 1. August die Rede auf der Wiese oberhalb des Vierwaldstättersees halten wird. Die ehemalige Bundesratskandidatin und Urner Regierungsrätin Heidi Z'graggen (53) betont gegenüber BLICK: «Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft arbeitet hervorragend und schaut sehr sorgsam zu unserem Nationaldenkmal. Dank der SGG ist das Rütli heute so, wie es ist.» Denn die Pflege der Infrastruktur bedürfe viel mehr Arbeit, als man allgemein annehme, so Z'graggen.

Sie erinnert an die rechtsradikalen Vorkommnisse der Vergangenheit und betont: «Auch dank den heutigen Rütli-Hütern ist es auf der Rütli-Wiese wieder friedlich. Das Rütli ist für alle da, die die Schweiz lieben und achten.»

Neue Strophe sei «Ausdruck der lebendigen Demokratie»

Weniger friedlich verläuft aber der Hymnen-Zoff. Denn beim Text gehen die Emotionen links und rechts hoch. Jetzt spricht Heidi Z'graggen bereits vor ihrer 1.-August-Rede Klartext. «Auf dem Rütli hat es Platz für die neue Hymnenstrophe, gesungen durch einen Chor, zumal wir ja die heutige Nationalhymne alle gemeinsam singen werden!», sagt die Urnerin. «Es ist ein Beitrag aus der Zivilgesellschaft zu einer Debatte, die wir als freie Schweizer führen.»

Die Kontroverse um das «Trittst im Morgenrot daher ...» sei «nicht neu», betont Z'graggen. Schon in den 1960er-Jahren, als der Bundesrat diese festsetzte, sei die Nationalhymne heftig diskutiert worden. Die Hymne sei also auch Ausdruck unserer lebendigen Demokratie. «Sie ist der Präambel unserer Bundesverfassung entnommen, der Volk und Stände zugestimmt haben!»

Volksabstimmung über den neuen Text?

Politische Bestrebungen, die neue Hymne auch offiziell einzuführen, stiessen in Bundesbern bisher nicht auf offene Ohren. Der Bundesrat anerkenne zwar, «dass der Text der Landeshymne einem Teil der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr zeitgemäss erscheinen mag», so die Landesregierung 2014. Die Hymne brauche aber den Vergleich mit zeitgenössischen Schöpfungen nicht zu scheuen und sei dank ihrer Bekanntheit «eine würdige Landeshymne».

Rütli-Rednerin Z'graggen regt eine Volksabstimmung über die neue Strophe an. «Die Politik kann darüber streiten, ob und welchen neuen Text unsere Hymne braucht. Das Volk soll am Ende sagen, was es singen will.» Bis es so weit ist, tritt die Schweiz im Morgenrot daher.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?