Darum gehts
- Heidi ist zurück und populärer denn je in Film und Fernsehen
- Heidi verkörpert universelle Werte wie Zugehörigkeit, Freiheit und Naturverbundenheit
- Heidi-Anime von 1974 ist eine der erfolgreichsten Serien Japans
Heidi ist zurück und populärer denn je! Das kleine Mädchen, das am Fusse der Bündner Berge lebt, begeistert auch knapp 150 Jahre nach seinem ersten Erscheinen das Publikum. Ende Juni rollt ein neuer Heidi-Animationsfilm über die Leinwände der Schweizer Kinos. Das SRF arbeitet gemeinsam mit RTL an einer neuen Serie zur Geschichte. Wer Heidi spielen will, kann sich aktuell zum Casting melden.
Doch nicht nur am Bildschirm und auf der Leinwand zieht Heidi die Menschen in den Bann. Auch als Botschafterin des Schweizer Pavillons an der Weltausstellung in Osaka begeistert sie derzeit Zehntausende von Besuchern. Das Waisenmädchen aus den Alpen ist eine der Hauptattraktionen der Ausstellung.
«Heidi ist eine Konstante in bewegten Zeiten»
Kein Zweifel: Die Strahlkraft von Heidi hat im 145. Jubiläumsjahr an nichts eingebüsst – aus gutem Grund, findet Peter Otto Büttner (45), Präsident der Heidiseum-Stiftung und Direktor des Heidi-Archivs, das im Mai 2023 gemeinsam mit dem Johanna-Spyri-Archiv von der Unesco als Weltdokumentenerbe anerkannt wurde. «Heidi ist universell anschlussfähig. Sie spricht Themen an, die in allen Kulturen verstanden werden. Zugehörigkeit, Freiheit, Naturverbundenheit und Menschlichkeit», sagt Büttner zu Blick. Und Mitgründer und Geschäftsführer Peter Polzin (44) ergänzt: «Gerade in unruhigen Zeiten wie diesen erleben wir eine Rückbesinnung auf das Einfache. Heidi ist eine Konstante in bewegten Zeiten. Sie ist so was wie ein emotionaler Rückzugsort.»
Dass ausgerechnet zwei Deutsche ihr Leben dem Schweizer Alpenmädchen widmen, hat seinen Grund: «Heidi und Johanna Spyri waren schon immer Thema in unserer Familie», sagt Büttner, der mit seiner Frau im malerischen Spyri-Dorf Hirzel ZH wohnt. «Mein Urgrossvater machte zudem beim ersten Heidi-Buch die Illustrationen. Die Verbindung zu Heidi wurde mir also faktisch in die Wiege gelegt.» Büttner steckte seinen langjährigen Freund erfolgreich mit der Faszination an. Zusammen gründeten die beiden 2018 das Heidiseum, eine Organisation, die sich dem kulturellen Erbe von Johanna Spyri und ihrer weltberühmten Heidi-Geschichte widmet. Mit Formaten wie «Heidi Goes AI» und Vorträgen in Tokio, San Francisco und in Kroatien präsentieren die beiden das Phänomen rund um das Alpenmädchen jenseits von Kitsch und Kommerz. «Unsere Vision war von Anfang an, Heidi auf ein neues kulturelles Level zu heben», sagt Büttner. «Und sie von der touristischen Postkarte in die globale Debatte zu holen.»
Heidi steht für Resilienz und Mitgefühl
Denn Heidi ist weit mehr als eine Kindergeschichte mit Bergidylle. Die berühmte Romanfigur, erschaffen 1880 von Johanna Spyri (1827–1901), einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autorinnen der Welt, steht für Resilienz, Mitgefühl und eine kindliche Unerschrockenheit, die auch Erwachsene tief berührt. «Heidi hat kein Weltwissen», sagt Büttner. «Aber sie begegnet der Welt mit radikaler Offenheit, Liebe und emotionaler Intelligenz. Ihr – nicht den Erwachsenen – gelingt es, die Menschen zusammenzubringen und zu versöhnen.»
Diese verbindende Kraft, gerade in aktuell unsicheren Zeiten, macht Heidi auch zur perfekten Landesbotschafterin: Politisch neutral und für alle Generationen zugänglich. Nicht überraschend nutzt auch der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis (64) Heidi gerne für die internationale Imagepflege der Schweiz. Bundesrat Cassis lud die beiden Heidi-Macher im Mai zu einem Gespräch ins Bundeshaus ein, um über das Potenzial und die Symbolkraft von Heidi zu sprechen. «Heidi wird als politisches Verbindungsinstrument eingesetzt, ohne selbst politisch zu sein», sagt Polzin. In Osaka verkörpert sie symbolisch das schweizerisch-japanische Freundschaftsband. Die Anime-Version von 1974 ist bis heute eine der erfolgreichsten Serien Japans. In der japanischen Präfektur Yamanshi gibt es sogar ein nachgebautes Heidi-Dorf.
Vorbild auf der ganzen Welt
Doch nicht nur in Japan berührt die kleine Schweizerin. Auch in Südamerika, Dubai, Indien und den USA weckt Heidi Erinnerungen und Hoffnungen. Eine verschleierte Frau aus Saudi-Arabien erklärte dem Heidiseum-Team einst: «Sie ist ein Vorbild für mich.» SRF-Moderatorin Angélique Beldner erklärte in einem Interview mit Blick 2021, dass sie, die als schwarzes Kind in einer weissen Familie aufwuchs, sich stark mit Heidi identifiziert habe. «Mein Vorbild war Heidi, weil sie immerhin nicht blonde glatte Haare hatte, sondern einen Wuschelkopf», sagte sie.
Diese Projektionskraft macht Heidi auch zu einer feministischen Heldin. «Sie ist stark, unabhängig, trotzt den Zumutungen des Lebens – und sie ist ein Mädchen, das weiss, was es will», sagt Polzin. «In Kulturen, in denen weibliche Selbstbestimmung erschwert ist, wird sie häufig als Vorbild gesehen. Mädchen und Kinder erhalten durch Heidi eine Stimme, die sie in der realen Welt oft nicht haben.»
2027 steht das nächste grosse Heidi-Jubiläum bevor: der 200. Geburtstag der Heidi-Autorin Johanna Spyri. Passend dazu plant die Heidiseum-Stiftung ein Heidi Heritage Center in Zürich. Ein immersiver Erlebnisort für Familien, Schulen, Touristinnen und alle, die sich dem Mythos annähern möchten. «Wir wollen zeigen, wie aktuell dieses Buch ist», sagt Büttner abschliessend. «Heidi entwickelt sich mit jeder Generation weiter und bleibt dabei doch immer Heidi. In ihrer Geschichte geht es um die Suche nach Heimat, um emotionale Zugehörigkeit. Und darum, was es heisst, ein glückliches Leben zu führen.»