Stefanie Heinzmann über 20 Jahre Therapie
«Ich habe gelernt, meinen eigenen Wert anzuerkennen»

Sängerin Stefanie Heinzmann erzählt im Interview über ihre Therapie-Erfahrungen und erklärt: «Es macht mir Spass, mich um mich selbst zu kümmern und hinzusehen.»
Publiziert: 17:55 Uhr
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Aktualisiert: 18:20 Uhr
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Stefanie Heinzmann hat mit «Circles» ein neues Album am Start.
Foto: Maximilian König

Darum gehts

  • Stefanie Heinzmann veröffentlicht neues Album «Circles» und spricht über persönliche Entwicklung
  • Zusammenarbeit mit systemischer Beraterin veränderte ihre Sicht auf sich selbst
  • Heinzmann ist seit 20 Jahren in Therapie und kümmert sich um mentale Gesundheit
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Die Schweizer Sängerin Stefanie Heinzmann (36) veröffentlicht am 10. Oktober ihr neues Werk «Circles». Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erzählt die Musikerin, warum sie das Album «wahnsinnig viel Mut gekostet» hat, wie sie ihren «Frieden mit den Wellen des Lebens» geschlossen hat und warum Älterwerden ein spannendes Thema für sie ist.

«Circles» wirkt wie eine sehr persönliche Reise. Welcher Moment während der Entstehung war für Sie am emotionalsten?
Für mich war es tatsächlich am emotionalsten, ein kleines Experiment zu wagen. Ich habe zum ersten Mal ein inhaltliches Konzept geschrieben für ein Album. Ich habe das zusammen mit einer Freundin, die gleichzeitig meine systemische Beraterin ist, für diese Reise gemacht. Und wir haben ein Konzept geschrieben und sind mit PDFs rumgelaufen. Und mit diesen in solche Songwriting-Sessions zu gehen, hat mich wahnsinnig viel Mut gekostet, weil man das normalerweise nicht so macht. Das hat sehr viel Offenheit gebraucht von den Leuten, mit denen ich da zusammenarbeite. Und das war für mich sehr emotional, mich dem zu stellen, mich das zu wagen und einfach loszulassen.

Sie haben das Konzept zusammen mit Ihrer Freundin und systemischen Beraterin Rita Pirion entwickelt. Wie hat diese Zusammenarbeit Ihre Sicht auf sich selbst verändert?
Das Spannende ist, dass sie, seitdem ich 17 Jahre alt bin, meine Therapeutin ist. Seit ein paar Jahren sind wir befreundet und vor zwei Jahren haben wir uns dazu entschieden, zusammenzuarbeiten. Das heisst, der ganze Prozess mit ihr zusammen hat die Sicht auf mich verändert. Ich durfte durch sie und mit ihr an meiner Seite auf eine Reise gehen, der Selbstentwicklung und auch der Selbstfindung. Und ich darf einfach stetig weiter wachsen. Mir macht das sehr viel Spass. Das heisst, ich würde sagen, dass ich durch sie und mit ihr sehr viel klarer für mich geworden bin. Ich habe gelernt, meinen eigenen Wert anzuerkennen. Das fällt mir nicht immer leicht, aber ich übe und arbeite dran und bin mittlerweile schon an einem Punkt, an dem ich wirklich gerne bin, wer ich bin. Und das ist schon ein Resultat aus dieser Freundschaft und auch dieser Zusammenarbeit.

Sie sprechen von einem spielerischen Zugang zu Energetik im Studio. Was hat das konkret bedeutet und was hat es mit Ihnen gemacht?
Spielerisch im Sinne von: Ich bin halt keine Energetikerin, also ich weiss eigentlich nicht genau, was es heisst, das zu sein. Ich kann es auch wahnsinnig schlecht erklären, was sie da genau macht, weil es ja nicht sichtbar, aber für mich wahnsinnig spürbar ist. Unser Ziel war es, nicht wahnsinnig verkopft da ranzugehen, sondern sie macht ihren Teil, ich mache meinen Teil, wir bringen das zusammen, und ab dann darf es spielerisch sein. Wir haben uns zur Mission gemacht, dass Kunst nicht nur aus Leiden und Drama entstehen muss, sondern Kunst darf auch spielerisch entstehen. Kunst darf aus Leichtigkeit entstehen, aus Schönheit. Und auch dann kann Kunst tief sein. Und das war für mich wirklich lebensverändernd. Weil ich bin immer davon ausgegangen, dass es einen gewissen Aspekt des Leidens braucht, um Kunst zu schaffen. Und daran glaube ich nicht mehr.

In «Power» beschreiben Sie innere Stärke und Selbstakzeptanz. Gab es einen Wendepunkt, an dem Sie zum ersten Mal wirklich in Ihrer Kraft waren?
Es gab nicht den einen Moment. Manchmal ist es so, dass man zum ersten Mal so einen Funken davon spürt. Dann wird es auch wieder schlechter und fällt einem wieder auf. Das ist ja ein stetiges Lernen. Aber ich würde schon sagen, dass in den letzten zwei Jahren bei mir wahnsinnig viel passiert ist. Und ich mich mittlerweile sehr stabil fühle, sehr in mir ruhend. Natürlich wird das wieder aufhören und wiederkommen, aber immer auf einer anderen Ebene. Und damit bin ich fein. Ich habe meinen Frieden mit den Wellen des Lebens geschlossen.

Sie sagen, dass Sie lange gebraucht haben, um zu verstehen, dass das Leben nicht linear ist. Was hat Ihnen geholfen, diese Erkenntnis zu akzeptieren?
Am meisten hat mir geholfen, die Erfahrung zu machen, dass es sehr viel erträglicher ist, wenn ich nicht dagegen ankämpfe. Wenn ich Frust spüre, dann versuche ich nicht, ihn wegzumachen, sondern gehe da komplett rein. Ich gebe diesem Gefühl einen Platz an meinem Tisch, gebe ihm was zu essen, was zu trinken, eine Stimme – aber keine Entscheidungsmacht. Die behalte ich. Nicht mein Frust, nicht meine Angst, nicht meine Unsicherheit entscheiden. Aber sie dürfen da sein. Das hat mir unglaublich geholfen. Mittlerweile kann ich schwierige Phasen fast schon zelebrieren und freue mich darauf, wenn es besser wird. Ich habe ein tiefes Vertrauen darin, dass das Leben in Wellen und Zyklen verläuft und weiss, dass wenn es wahnsinnig schön ist, dass das nicht hält, aber auch genauso, dass wenn es wahnsinnig schlecht ist, dass auch das nicht bleibt.

Kümmern Sie sich explizit um Ihre mentale Gesundheit?
Ja, das tue ich wirklich explizit. Ich bin seit 20 Jahren in Therapie, am Anfang hauptsächlich Gesprächstherapie, mittlerweile eher systemische und energetische Therapie. Da habe ich in den letzten Jahren grosses Wachstum erfahren, und es macht mir Spass, mich um mich selbst zu kümmern und hinzusehen. Natürlich macht es manchmal keinen Spass, aber auch das gehört dazu. Ich bin überzeugt, dass wir Verantwortung für unsere mentale Gesundheit übernehmen müssen – genauso wie für unsere körperliche. Wenn ich mir ein Bein breche, gehe ich zum Arzt. Wenn es mir mental nicht gut geht, gehe ich auch sofort zu einem Menschen, der mir helfen kann.

«Good» sollte ursprünglich ein Rückblick aus hohem Alter sein. Was hat Sie bewegt, diesen Song jetzt schon zu veröffentlichen?
Den Song gibt es jetzt, also macht es keinen Sinn, bis 80 zu warten. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass ich, wenn ich alt werde, stolz auf mein Leben zurückblicken kann. Aber ich merke auch, dass ich jetzt mit 36 an diesem Punkt bin: Ich bin gerne ich und es geht mir gut. Das Älterwerden ist ein spannendes Thema, gerade als Frau in der Öffentlichkeit. Alles wird auf das Äusserliche reduziert – Falten, Gewicht. Das finde ich eine absolute Frechheit. Jeder Tag, den ich gesund älter werde, ist ein Geschenk. Unser Körper trägt uns ein Leben lang, das verdient Respekt. Ich liebe es, älter zu werden, mir geht es mit jedem Tag besser. Natürlich sehe ich Falten, aber ich versuche sie zu umarmen und zu akzeptieren.

Bei der «Circles»-Tour spielen Sie bewusst in Theatern und Konzerthäusern wie der Alten Oper in Erfurt oder dem Volkshaus Zürich. Was reizt Sie an dieser Atmosphäre?
Mich reizt am meisten, dass es jede Facette einschliesst. Bisher waren wir in Clubs, wo alle stehen, feiern, ausgelassen sind – das liebe ich auch. Aber ich wollte auch, dass man sich hinsetzen und einfach geniessen darf, Augen schliessen, sich berieseln lassen. Ich liebe es, wenn Leute da sitzen, die Augen zumachen und geniessen. Ich wollte beide Facetten haben. Wir haben uns entschieden, nur wunderschöne Locations zu spielen. Ich will diese Tour in absoluter Schönheit erleben, geniessen und schöne Dinge machen.

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