Regisseurin Katja Früh
«Ich habe den Freitod meiner Mutter nie verstanden»

Sie hat die unglaublich erfolgreiche Soap «Lüthi und Blanc» für das Schweizer Fernsehen geschrieben. Sie war Schauspielerin, ist Dramaturgin und Regisseurin. Nun hat Katja Früh mit 72 ihren ersten Roman verfasst. Ein Hausbesuch.
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Katja Früh lebt zusammen mit ihrem Mann – die Kinder und Enkelkinder sind oft zu Besuch – in einer Vierzimmerwohnung in Zürich.
Foto: Fabienne Bühler

Darum gehts

  • Katja Früh veröffentlicht ihren ersten Roman im Diogenes-Verlag
  • Der Roman behandelt das Thema Sterbehilfe und autobiografische Elemente
  • Früh ist 72 Jahre alt und hat eine erfolgreiche Karriere
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Janine Urech
Schweizer Illustrierte

«Es ist ein wenig wie im Märchen. Ein ganz tolles Gefühl», sagt Katja Früh mit ihrer schönen, leicht rauchigen Stimme. Sie nimmt noch einen Zug, legt dann die Zigarette zurück in den bordeauxroten Laurent-Perrier-Aschenbecher. Das «Märchen» liegt vor ihr – ihr erster Roman, gedruckt und gebunden. Herausgegeben von Diogenes, einem der angesehensten Verlage Europas. Sie wünsche es sich so sehr, einen Roman zu schreiben, schilderte Früh einst in einer ihrer Kolumnen im Magazin des «Tages-Anzeigers». Doch sie traute es sich damals nicht zu, weil der Roman in den Künsten eben zu hoch oben hänge für jemanden wie sie, einen gewöhnlichen Menschen.

Jetzt hat sie sich getraut. Mit 72. «Vielleicht ist die Liebe so», das der Titel von Katja Frühs Buch. Die Geschichte ist ein bisschen autobiografisch. Aber nur ein bisschen. Die Hauptfiguren sind Anja und ihre Mutter. Letztere ist übergriffig, herrisch, egozentrisch und für ihr Alter topfit – und hat beschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Der Termin steht, die Einladungen zur Trauerfeier müssen nur noch verschickt werden, die Menüabfolge für den Leichenschmaus inklusive Musik ist ebenfalls festgelegt. Ist das nun selbstbestimmt, egoistisch, angemessen, schlicht verrückt? Anja weiss nicht recht, wie sie reagieren soll.

Auch Katja Frühs Mutter, die schweizerisch-österreichische Schauspielerin Eva Früh Langraf, hat sich 2009, mit 89 Jahren, für den Freitod entschieden. Auch sie sei ein kühler Typ gewesen, mit hohen moralischen Ansprüchen, so die Autorin. Die Mutter habe alles besser gewusst und sei in vielem sehr rigide gewesen. «Sie hat nie gelobt. Nur kritisiert. Meine Arbeit. Mein Aussehen. Meine Freunde.» Trotzdem: «Der Typus Frau, den ich beschreibe, ist nicht per se meine Mutter. Es ist der Typus Frau einer bestimmten Generation. Sie haben einen gewissen Neid auf ihre Töchter entwickelt. Sie haben einige Dinge in ihrem Leben verpasst. Das macht bitter. Und vielleicht auch böse.»

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

Ein erfolgreiches Leben

Katja Früh wächst in einer Künstlerfamilie auf. Ihr Vater ist der berühmte Schweizer Regisseur Kurt Früh (1915–1979), bekannt für seine Filme wie «Hinter den sieben Gleisen», «Polizischt Wäckerli» oder «Dällebach Kari». Ihre Mutter gibt nach der Heirat die Schauspielerei auf, widmet ihre Zeit dem Mann und dessen Projekten. «Meine Schwester Jessica und ich hatten ein lustiges Leben, das kann man sagen. Aber auch viel Druck», erzählt Früh. In jungen Jahren sei sie stark beeinflusst gewesen von den Eltern. «So habe ich unbedingt Schauspielerin werden müssen, weil ich der Überzeugung war, nur dann deren Achtung zu haben.» Nach ihrer Ausbildung an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin spielt sie auf verschiedenen Bühnen in Hannover, Wuppertal und Zürich. «Begeistert hat mich die Schauspielerei nie, weil ich den Umgang am Theater nicht so toll fand. Ich litt, vor allem in Deutschland, unter autoritären Regisseuren und den Hierarchien.»

1978 beginnt Katja Früh, fürs Theater zu inszenieren und zu schreiben. Ab 1980 arbeitet sie beim Schweizer Radio DRS, kreiert unter anderem fürs Schweizer Fernsehen die äusserst erfolgreiche Serie «Lüthi und Blanc», für die sie über zehn Jahre lang Headautorin ist. Sie realisiert Projekte mit Martin Suter und Patrick Frey, ist Autorin und Coach von Schauspielerinnen und Schauspielern bei diversen Schweizer Spielfilmproduktionen. Daneben führt früh Regie und verfasst Texte, unter anderem für das Casinotheater Winterthur.

Eine grosse Familie

Die ersten 30 Seiten ihres Romans schreibt Katja Früh von Hand in einem Café in Zürich. «Ich habe die Blätter wieder weggelegt und dachte, das wird nichts. Ich hatte grosse Zweifel. Bis mir jemand geraten hat, den Text in den Computer zu tippen. Danach konnte ich lustigerweise plötzlich weiterschreiben. Das schlechte Gefühl war weg, und die Freude kam.»

Den Rest verfasst sie zu Hause in ihrer Vierzimmer-Mietwohnung im Kreis 3 in der Limmatstadt. Dort, wo sie seit zehn Jahren mit ihrem Mann Hans Bärenbold (73) wohnt. Nächstes Jahr feiert das Paar den 40. Hochzeitstag. Die beiden haben einen Sohn, eine Tochter und vier Enkelkinder. «Schang», wie Katja Früh ihren Gatten liebevoll nennt, war früher Bundeshauskorrespondent beim Schweizer Fernsehen, heute ist er Hausmann. Er kauft ein, kocht und wäscht. Und das gern. Auf dem Küchentisch in der unkonventionell eingerichteten Wohnung – ein Mix aus echter Kunst und lässigen Möbeln aus dem Brockenhaus oder von Flohmärkten – liegt ein selbst gebackenes Brot von Bärenbold. «Ich bin keine gute Hausfrau», sagt Katja Früh lakonisch. «Ich kann zwar die Wohnung schön einrichten, aber diesen kleinen Haushaltsalltag, den mag ich nicht.» Ein Gräuel sind ihr auch administrative Arbeiten. «Die mache ich noch unlieber als putzen», sagt sie und lacht.

Ein schwieriges Thema

Das Thema Sterbehilfe beschäftigt Katja Früh schon lange. Einst hat sie darüber ein Filmdrehbuch geschrieben, das allerdings von niemandem angenommen wurde. Später verfasst sie zusammen mit Patrick Frey das Theaterstück «Exit Retour», eine Sterbehilfekomödie. «Die Komödie war natürlich ganz etwas anderes. Trotzdem habe ich gemerkt, dass dieses Thema für mich noch nicht erschöpft ist. Es hat wirklich etwas mit mir zu tun. Der Freitod meiner Mutter ist mir sehr nahegegangen. Ich habe es nicht verstanden.» Ihre Mutter habe zwar Probleme mit den Augen gehabt – sie litt an grünem Star – sei aber sonst eigentlich gesund gewesen.

Katja Frühs Einstellung gegenüber Exit ist zwiespältig. Auf der einen Seite ist sie froh, dass es diese Möglichkeit für schwer leidende Menschen gibt. Andererseits findet sie es merkwürdig, dass man entscheiden kann, wann man gehen möchte. «Ich finde es nicht falsch. Aber man kann nicht alles selbst bestimmen im Leben. Ich kann es nur so sagen.» Mitglied bei Exit sei sie jedenfalls nicht, sagt Früh.

Ein Neuer im Köcher

Erste Rezensionen im Netz loben den Debütroman von Katja Früh. Der Autorin sei es gelungen, trotz des herausfordernden Themas einen «leichtfüssigen und humorvollen» Zugang zu finden. Auch lese sich ihr Schreibstil «wie Butter». Macht doch Mut für mehr, nicht wahr, Frau Früh? «Natürlich!», sagt sie und lacht. «Natürlich werde ich einen zweiten Roman schreiben. Ich habe schon eine Idee. Doch ob sie funktionieren wird, weiss ich noch nicht.» Wir wissen es.

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