Die Shortlist des Schweizer Buchpreises umfasst fünf Titel, von denen nur einer siegen kann. So sind die Regeln. Dennoch zählen auch die übrigen vier Titel zu den Gewinnern. Allein die Erwähnung auf der Shortlist verleiht ihnen öffentliche Aufmerksamkeit. Gerade Bücher von bislang wenig bekannten Autorinnen und Autoren profitieren, indem sie in den Medien besprochen, auf Leseveranstaltungen vorgestellt und vom Buchhandel speziell präsentiert werden.
Doch garantiert eine solche Erwähnung auch eine Steigerung der Verkäufe? Es ist nicht einfach, dazu schlüssige Daten zu erhalten. Vor allem sagen die absoluten Verkaufszahlen wenig über den Einfluss des Buchpreises aus. Der Schweizer Buchhandels- und Verlags-Verband (SBVV) hat der Nachrichtenagentur Keystone-SDA deshalb herausgefiltert, welche Anteile am Gesamtverkauf eines Buches seit der Publikation der Shortlist am 11. September erzielt worden sind.
Zehn Tage vor diesem Datum ist der Roman «Lázár» von Nelio Biedermann erschienen. Ein gutes Viertel (26 Prozent) seines Absatzes hat er schon in den wenigen Tagen vor der Shortlist-Veröffentlichung erzielt.
Das ist erstaunlich für einen unbekannten Jungautor. Der Grund dafür liegt in der breit angelegten Marketingkampagne, mit welcher der Rowohlt Verlag das Debüt im Vorfeld schlagkräftig beworben hat. Renommierte Medien wie die NZZ, «Die Zeit» oder Radio SRF haben zudem mit ihren Berichten der Publikation zugearbeitet. Diese Resonanz hat die Shortlist verstärkt.
Ebenfalls im Herbstprogramm ist auch Dorothee Elmigers Roman «Die Holländerinnen» erschienen. Gleich nach dem Erscheinen am 19. August ist der Titel breit besprochen worden. Dennoch gingen 91 Prozent der verkauften Bücher erst nach dem 11. September über die Ladentheke.
Elmiger ist eine bei der Kritik hochgeschätzte Autorin, beim breiten Publikum aber hat ihr die Schweizer Shortlist und die Verleihung des Deutschen Buchpreises Mitte Oktober zusätzlichen Auftrieb verliehen. So sehr, dass der Titel zwischenzeitlich vergriffen war. Der Hanser Verlag hatte das Interesse offenbar nicht voraus bedacht und musste eiligst eine hohe Nachauflage anfordern, die dann am 20. Oktober bereitlag.
Die drei weiteren Nominierten weisen markant tiefere Verkaufswerte seit dem 11. September auf: 17 Prozent für «Verzauberte Vorbestimmung» von Jonas Lüscher, 25 Prozent für «Am Meer waren wir nie» von Meral Kureyshi, 57 Prozent für Melara Mvogdobos «Grossmütter».
Der Grund dafür ist einfach: Die Titel sind bereits früh im Jahr, zwischen Januar und März 2025, erschienen. Jonas Lüscher hatte sein Publikum lange vor der Shortlist gefunden. Ebenso Meral Kureyshi, die ausgesprochen viele und positive Besprechungen in den Medien erhielt.
Leicht anders verhält es sich mit Melara Mvogdobo. Auch wenn «Grossmütter» bereits ihr zweites Buch ist und das erste, das in der Schweizer Edition 8 erschienen ist, wurde ihr damit zu Beginn nicht so viel Beachtung zuteil. Die Nominierung für den Buchpreis hat sie und ihr Buch erst richtig ins Rampenlicht gerückt.
Wie viel Resonanz der Shortlist geschuldet ist, hängt also von mehreren Faktoren ab. Dass aber gerade Autorinnen wie Mvogdobo und mit ihr der kleine Transit Verlag durch den Preis eine öffentliche Plattform erhalten, kann sicherlich als Gewinn gewertet werden.
Wer schliesslich den Siegerpreis zugesprochen erhält, ist noch nicht entschieden. Dorothee Elmiger hat weiterhin die einzigartige Chance auf das Triple mit dem Deutschen Buchpreis, dem Bayerischen Buchpreis und eben dem Schweizer Buchpreis. Am nächsten Sonntag wird das Rennen entschieden.