Darum gehts
- Verdis Oper in Zürich: Krieg in der Schweiz, Netrebko als Hauptdarstellerin
- Avantgardistische Inszenierung zeigt alternative Realität mit Schweizer Schauplätzen
- Anna Netrebko kehrt nach der Pause erst für die finale Szene zurück
Was wäre, wenn in der Schweiz Krieg herrschte? Dieser Frage ging Giuseppe Verdi mit seiner Oper «La Forza del Destino» wohl bereits 1862 nach - zumindest entnimmt man dies der neuen Inszenierung im Opernhaus Zürich. Doch warum ausgerechnet eine Putin-Sympathisantin die Hauptrolle dieser Kriegsgeschichte verkörpert, erschliesst sich nur in begrenztem Masse aus der unantastbaren künstlerischen Exzellenz von Anna Netrebko.
Betrachten wir zunächst die avantgardistische Inszenierung der argentinischen Regisseurin Valentina Carrasco. «La Forza del Destino» zeigt das unerbittliche Wirken des Schicksals und erzählt die Geschichte einer Liebe, die durch Krieg, Flucht, Mord und Rache auf die Probe gestellt wird. Doch anstatt des Krieges zwischen Spanien und Italien, wie dies auch dem Libretto zu entnehmen ist, spielt diese Produktion in der Schweiz. Gleich zu Beginn wird das Opernhaus zum Kinosaal: Die Ouvertüre – ihrerseits das prägnanteste musikalische Stück der Oper – wird mit Aufnahmen von Explosionen, markierten Landkarten sowie gestellten Breaking-News-Einblendern untermalt. Drohnenangriffe in Zürich, Übergriffe des Militärs während der fiktiven Tagesschau – klarer kann diese alternative Realität nicht übermittelt werden.
Anna Netrebko (54) füllt in Zürich das Opernhaus – und spaltet zugleich die Öffentlichkeit. Die russische Sopranistin, einst ein gefeierter Weltstar, gilt seit Jahren als Symbolfigur einer gefährlichen Nähe zu Moskau. 2014 posierte sie in der von pro-russischen Kräften kontrollierten Region Donezk mit der Flagge der selbst ernannten «Volksrepublik» und spendete eine Million Rubel an ein dortiges Theater – ein Bild, das bis heute nachhallt. Zwar verurteilte die Sängerin im März 2022 öffentlich den Krieg gegen die Ukraine und distanzierte sich von Wladimir Putin (73), doch für viele kam die Erklärung zu spät, schien zu vorsichtig und zu kalkuliert.
Nun steht Anna Netrebko im Opernhaus Zürich in Verdis «La Forza del Destino» auf der Bühne. Die ausverkauften Vorstellungen werden begleitet von Protesten und einer Petition der ukrainischen Community, die fordert, die Auftritte abzusagen. Die ukrainische Botschafterin Iryna Wenediktowa unterstützt dieses Vorhaben und nannte Netrebko gegenüber dem «Tagesanzeiger» «eine Marke des Kreml». Bereits zur Premiere am Wochenende kam es zu lautstarken Demonstrationen und Kundgebungen vor dem Opernhaus. Blick-Informationen zufolge zeigen sich mehrere Mitarbeitende des Hauses beunruhigt – sie fürchten mögliche Zwischenfälle oder Störungen während der kommenden Vorstellungen.
Opernhaus trifft «ergänzende Vorsichtsmassnahmen»
Vom Opernhaus Zürich heisst es auf Anfrage von Blick: «Im Opernhaus gab es bisher keinerlei Zwischenfälle im Zusammenhang mit den aktuellen Vorstellungen von Anna Netrebko.» Auch von Seiten der Mitarbeitenden seien keine Bedenken geäussert worden. «Der Proben- und Vorstellungsbetrieb verläuft ruhig, konzentriert und ohne Störungen. Im Hinblick auf die Auftritte von Anna Netrebko wurden ergänzende Vorsichtsmassnahmen getroffen, die rein präventiven Charakter haben. Die Situation wird laufend beobachtet, und in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden sorgt das Opernhaus für ein angemessenes Sicherheitskonzept.»
Zur Entscheidung, an Netrebko festzuhalten, sagt Intendant Matthias Schulz (48): «Die Entscheidung, Anna Netrebko am Opernhaus Zürich auftreten zu lassen, basiert auf einer differenzierten Abwägung ihrer künstlerischen Bedeutung und ihres Verhaltens seit Beginn des Ukraine-Krieges.» Netrebko habe sich im März 2022 klar von der russischen Regierung distanziert und den Krieg ausdrücklich verurteilt. Zudem betone sie, dass sie durch ihre Kunst Frieden und Einigkeit anstrebe. «Es ist unsere Aufgabe als Kulturinstitution, Brücken zu bauen und nicht zu spalten», sagt Schulz. «Künstlerinnen und Künstler dürfen nicht zu Sündenböcken für militärische Konflikte gemacht werden, weil man die eigentlichen Kriegstreiber nicht erreichen kann.»
Patricia Broder
Anna Netrebko (54) füllt in Zürich das Opernhaus – und spaltet zugleich die Öffentlichkeit. Die russische Sopranistin, einst ein gefeierter Weltstar, gilt seit Jahren als Symbolfigur einer gefährlichen Nähe zu Moskau. 2014 posierte sie in der von pro-russischen Kräften kontrollierten Region Donezk mit der Flagge der selbst ernannten «Volksrepublik» und spendete eine Million Rubel an ein dortiges Theater – ein Bild, das bis heute nachhallt. Zwar verurteilte die Sängerin im März 2022 öffentlich den Krieg gegen die Ukraine und distanzierte sich von Wladimir Putin (73), doch für viele kam die Erklärung zu spät, schien zu vorsichtig und zu kalkuliert.
Nun steht Anna Netrebko im Opernhaus Zürich in Verdis «La Forza del Destino» auf der Bühne. Die ausverkauften Vorstellungen werden begleitet von Protesten und einer Petition der ukrainischen Community, die fordert, die Auftritte abzusagen. Die ukrainische Botschafterin Iryna Wenediktowa unterstützt dieses Vorhaben und nannte Netrebko gegenüber dem «Tagesanzeiger» «eine Marke des Kreml». Bereits zur Premiere am Wochenende kam es zu lautstarken Demonstrationen und Kundgebungen vor dem Opernhaus. Blick-Informationen zufolge zeigen sich mehrere Mitarbeitende des Hauses beunruhigt – sie fürchten mögliche Zwischenfälle oder Störungen während der kommenden Vorstellungen.
Opernhaus trifft «ergänzende Vorsichtsmassnahmen»
Vom Opernhaus Zürich heisst es auf Anfrage von Blick: «Im Opernhaus gab es bisher keinerlei Zwischenfälle im Zusammenhang mit den aktuellen Vorstellungen von Anna Netrebko.» Auch von Seiten der Mitarbeitenden seien keine Bedenken geäussert worden. «Der Proben- und Vorstellungsbetrieb verläuft ruhig, konzentriert und ohne Störungen. Im Hinblick auf die Auftritte von Anna Netrebko wurden ergänzende Vorsichtsmassnahmen getroffen, die rein präventiven Charakter haben. Die Situation wird laufend beobachtet, und in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden sorgt das Opernhaus für ein angemessenes Sicherheitskonzept.»
Zur Entscheidung, an Netrebko festzuhalten, sagt Intendant Matthias Schulz (48): «Die Entscheidung, Anna Netrebko am Opernhaus Zürich auftreten zu lassen, basiert auf einer differenzierten Abwägung ihrer künstlerischen Bedeutung und ihres Verhaltens seit Beginn des Ukraine-Krieges.» Netrebko habe sich im März 2022 klar von der russischen Regierung distanziert und den Krieg ausdrücklich verurteilt. Zudem betone sie, dass sie durch ihre Kunst Frieden und Einigkeit anstrebe. «Es ist unsere Aufgabe als Kulturinstitution, Brücken zu bauen und nicht zu spalten», sagt Schulz. «Künstlerinnen und Künstler dürfen nicht zu Sündenböcken für militärische Konflikte gemacht werden, weil man die eigentlichen Kriegstreiber nicht erreichen kann.»
Patricia Broder
Oder so gedacht! Der Vorhang öffnet sich und die Fassade einer «Investmentbank» mit der Aufschrift «Zürich» erscheint. Wo würde das Schweizer Äquivalent eines Grafen ja denn sonst leben. Die Vereinten Nationen in Genf und das Kongresszentrum Davos werden ebenso zum Schauplatz. Mit 3-D-Soundeffekten fliegen auch Drohnen «durch den Saal» und über die Bühne, die Schweizer Flagge wird vom Mast genommen, das Militär zeigt sich in Tenue A, Tenue B und sogar im Schneetarnanzug. Während einer Szene ohne Musik hört man sogar Schweizerdeutsches Gemurmel. Die Oper hinterlässt ein Gefühl, wie etwa nach einem George-Orwell-Roman: Wie weit sind wir denn wirklich vom Gezeigten entfernt?
Wer in den Genuss der himmlischen Stimme von Anna Netrebko kommen kann, sollte auch unabhängig von jeglichen politischen Überzeugungen keine Sekunde zögern. Die Primadonna des 21. Jahrhunderts verkörpert die starken Emotionen der Leonora auch schon bloss gesanglich, ohne dabei einen einzigen Ton zu verfehlen oder zu überspringen. Ihre Stimme verschmilzt mit dem Orchester und auch auf akustisch unvorteilhaften Plätzen – auch die soll es im Opernhaus geben – gibt Netrebko einem das Gefühl, direkt danebenzusitzen. Auch der rumänische Bariton George Petean und Netrebkos Ex-Partner Yusif Eyvazov entfalten im Zusammenspiel ihre volle Strahlkraft. Schliesslich müssen sie beinahe anderthalb Stunden überbrücken, denn Anna Netrebko kehrt nach der Pause erst für die finale Szene wieder auf die Bühne zurück.
Doch unabhängig von der beinahe unheimlichen Inszenierung oder der künstlerischen Brillanz, hinterlässt die Kombination von «La Forza del Destino» und Anna Netrebko einen fahlen Beigeschmack. Ihre vergangenen prorussischen Äusserungen sind trotz eigener Distanzierung im Hinblick auf den Angriffskrieg in der Ukraine nicht wegzudenken. Seit 2022 lehnt Netrebko Interviews kategorisch ab, ihre Haltung muss man sich denken. Und nun, im Stück, spielt Netrebko eine Frau, die vor dem Krieg flüchtet und in Isolation lebt. Möchte man nun versuchen, eine Parallele zu Netrebkos Privatleben zu ziehen, braucht es jedenfalls viel Fantasie. Dennoch hätten die Entscheidungsträger vielleicht ein anderes Programm für Netrebkos Rückkehr wählen können. Ausverkauft wäre es ohnehin. Schliesslich muss man jedoch die Künstlerin von der Kunst trennen, sonst würden umstrittene Figuren wie Pablo Picasso oder Richard Wagner nicht die Wertschätzung erhalten, die ihnen zukommt.