Die Regenbogenfahne schwenken beide, wenn es um gleiche Rechte für die LGBT-Gemeinde geht. Doch bei der Abstimmung über die Erweiterung der Anti-Rassismusstrafnorm von nächster Woche driften die Meinungen der Ex-Radrennfahrerin Barbara «Baba» Ganz (55) und Anna Rosenwasser (29), Co-Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation Schweiz (LOS), auseinander. Die Frage, ob künftig auch Bisexuelle, Lesben und Schwule vor Diskriminierung geschützt werden sollen, beschäftigt auch Homo- und Bisexuelle selber. Baba Ganz, die im Jahr 2000 ihr öffentliches Coming-out hatte und viele Jahre fürs Partnerschaftsgesetz kämpfte, glaubt, dass der heutige Schutz ausreiche und die Ausweitung niemandem etwas bringe. Anna Rosenwasser hingegen findet es skandalös, dass eine solche Vorlage in der Schweiz erst jetzt vors Volk kommt. SonntagsBlick hat die beiden zur Debatte geladen.
Frau Ganz, Sie setzten sich jahrelang für die LGBT-Gemeinde ein. Am 9. Februar legen Sie ein Nein in die Urne. Wieso?
Baba Ganz: Weil dieses Gesetz nichts bringt. Es schützt nicht vor Übergriffen, die ja jetzt schon unter Strafe stehen. Zudem habe ich in den zwanzig Jahren, in denen ich offen lesbisch lebe, noch nie negative Rückmeldungen bekommen.
Anna Rosenwasser: Ich finde es schön zu hören, wenn es Menschen wie Sie gibt, die keine schlechten Erfahrungen machen mussten. Wenn wir die Statistiken anschauen und vielen Homo- und Bisexuellen zuhören, sehen wir, dass verbale Attacken und Gewaltübergriffe zum Alltag vieler Bi- und Homosexueller gehören.
Haben Sie das selber auch schon erlebt?
AR: Zum Glück nicht physisch. Aber ja, mir hat auch schon jemand öffentlich lächelnd ins Gesicht gesagt, dass mein «Fehlverhalten dringend korrigiert werden muss», weil ich eine Frau liebe. Solche Dinge sind für mich nicht okay. Wenn diese Person das Gleiche aufgrund meiner jüdischen Herkunft sagen würde, wäre das heute bereits strafbar. Darum gehört die Erweiterung angenommen.
Die Befürworter wollen die homo- und bisexuelle Gemeinde vor Hass und Hetze schützen. Wieso Sie nicht, Frau Ganz?
BG: Ich denke, dass der heutige rechtliche Schutz ausreicht. Und ich sehe mich nicht als besonders schützenswerte Spezies, sondern als Mensch wie jeder andere. Von den zehn Prozent der Bevölkerung, die gleichgeschlechtlich lieben, erfahren ja nur ganz wenige Übergriffe. Das ist ein kleiner Prozentsatz, der sich wohl nie ausschliessen lassen wird. Schlussendlich könnte es auf Geldmacherei hinauslaufen: Beim Strassengesetz budgetiert man ja auch Bussgelder ein, weil man weiss, dass trotzdem zu schnell gefahren wird.
AR: Wir sind aber keine Autos, wir sind Menschen. Klar kann man nicht sämtliche Probleme mit diesem Gesetz lösen. Aber wenn wir Schweizer Studien anschauen, die sagen, dass homosexuelle Jugendliche eine fünf Mal höhere Suizidrate als andere gleichaltrige haben, muss gehandelt werden. Das kommt ja nicht von ungefähr, sondern von einer Gesellschaft, die einem oftmals zu verstehen gibt, dass das eigene Verhalten und die eigenen Vorlieben nicht in Ordnung seien. Daran kann man etwas ändern, indem man einen Teil dieser Aussagen verbietet.
Können homophobe Ideologien mit einem Gesetz ausgelöscht werden?
AR: Es wäre naiv, das zu glauben. Aber mit einem Ja können wir diese Überzeugungen vermindern. Homophobie wird wohl immer existieren, und sofern dies die Meinung eines Einzelnen ist, kann ich damit leben. Es muss mir niemand gezwungenermassen ins Gesicht sagen, dass er das toll findet, dass ich eine Freundin habe. Ich will einfach vor physischer Gewalt und Hetze geschützt sein. Ersteres ist schon verboten, über das Zweite stimmen wir nächsten Sonntag ab.
BG: Jene Menschen, die homophobes Gedankengut verbreiten, werden das auch trotz Gesetz weiterhin tun. Ich plädiere hier für ein selbstbewusstes Auftreten. Wenn jemand ein Problem mit mir hat, ist das nicht meine Sache. Das hat diese Person mit sich zu klären, ich bin mit mir im Reinen.
Frau Ganz, wie hätten Sie reagiert, wenn Ihnen an Ihrer Hochzeit 2007 ein Konditor aufgrund Ihrer sexuellen Orientierung keine Torte verkauft hätte? Auch darum gehts in der Abstimmung.
BG: Ich hätte mir einfach einen anderen, schlaueren Geschäftsmann gesucht, der seinen Job machen will. Es kann ja jeder sein Geschäft führen, wie er will.
AR: In der Verfassung ist die Menschenwürde verankert. Und wenn mir jemand eine Dienstleistung verweigert, weil ich eine Frau liebe, ist diese nicht gesichert. Logisch, ich kenne auch genug Lesben, die supergut backen können. Darum geht es aber nicht. Ich will im Alltag so behandelt werden, wie in Zeiten, in denen ich mit Männern zusammen war.
Einige fürchten, mit der Annahme am 9. Februar könnten sie am Stammtisch nur noch mit Maulkorb sprechen.
AR: Nein, was dort gesagt wird, wird nicht belangt. Es geht darum, dass niemand mit Flugblättern oder vor einer versammelten Menschenmenge mit dem Megafon homophobes Gedankengut verbreiten kann. Auch der viel erwähnte Schwulen- und Lesbenwitz ist nicht in Gefahr.
Was muss Ihrer Meinung nach für die absolute Gleichstellung getan werden?
BG: Ich will ausnahmslos die gleichen Rechte, wie alle anderen Menschen auch. Als ich mich fürs Partnerschaftsgesetz starkgemacht habe, war ich sehr enttäuscht, dass mit der eingetragenen Partnerschaft eine Sonderregelung geschaffen wurde. Das erzeugt ja den Eindruck, dass wir anders sind und nicht zum Rest gehören. Darum kämpfe ich weiter für die Ehe für alle.
AR: Da kann ich Ihnen voll und ganz zustimmen – aber zu gleichen Rechten gehört auch ein Schutz vor Hass. Die Ehe für alle ist überfällig, inklusive Adoptionsrecht und Zugang zur Fortpflanzungsmedizin. Zudem fordern wir eine grössere Aufklärung an Schulen, damit kein Jugendlicher mehr Angst haben muss, zu sich zu stehen.
Die im Kanton Schaffhausen aufgewachsene Anna Rosenwasser wurde im September 2017 zur Co-Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation Schweiz (LOS) ernannt, zuvor studierte sie Journalismus in Winterthur ZH und war als freie Redaktorin tätig. Bis heute engagiert sie sich in verschiedenen LGBT-Organisationen, hielt an der Zurich Pride mehrere Reden und wurde 2018 für ihre Arbeit für den Swiss Diversity Award nominiert. Obwohl die LOS-Geschäftsleiterin die Interessen lesbischer Frauen vertritt, bezeichnet sie sich selbst als bisexuell. Rosenwasser lebt mit ihrer Partnerin in Zürich.
Die im Kanton Schaffhausen aufgewachsene Anna Rosenwasser wurde im September 2017 zur Co-Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation Schweiz (LOS) ernannt, zuvor studierte sie Journalismus in Winterthur ZH und war als freie Redaktorin tätig. Bis heute engagiert sie sich in verschiedenen LGBT-Organisationen, hielt an der Zurich Pride mehrere Reden und wurde 2018 für ihre Arbeit für den Swiss Diversity Award nominiert. Obwohl die LOS-Geschäftsleiterin die Interessen lesbischer Frauen vertritt, bezeichnet sie sich selbst als bisexuell. Rosenwasser lebt mit ihrer Partnerin in Zürich.
Barbara «Baba» Ganz feierte in den Achtziger- und Neunzigerjahren grosse Erfolge als Radrennfahrerin auf der Strasse und auf der Bahn. Herausragend war das Jahr 1988, als sie im belgischen Gent Vizeweltmeisterin in der Einerverfolgung und im Punktefahren wurde. 1994 beendete sie ihre aktive Sportkarriere. Im Jahr 2000 hatte sie ihr Coming-out und setzte sich fortan aktiv fürs Partnerschaftsgesetz ein. Nur fünf Tage nach dessen Inkraftsetzung liessen sie und ihre Lebensgefährtin in Oberägeri SZ als eines der ersten Lesbenpaare ihre damalige Partnerschaft, die noch zwei Jahre hielt, eintragen. Heute führt Ganz eine Praxis für Massagen und Coaching und wohnt mit ihrer Partnerin in Wald ZH.
Barbara «Baba» Ganz feierte in den Achtziger- und Neunzigerjahren grosse Erfolge als Radrennfahrerin auf der Strasse und auf der Bahn. Herausragend war das Jahr 1988, als sie im belgischen Gent Vizeweltmeisterin in der Einerverfolgung und im Punktefahren wurde. 1994 beendete sie ihre aktive Sportkarriere. Im Jahr 2000 hatte sie ihr Coming-out und setzte sich fortan aktiv fürs Partnerschaftsgesetz ein. Nur fünf Tage nach dessen Inkraftsetzung liessen sie und ihre Lebensgefährtin in Oberägeri SZ als eines der ersten Lesbenpaare ihre damalige Partnerschaft, die noch zwei Jahre hielt, eintragen. Heute führt Ganz eine Praxis für Massagen und Coaching und wohnt mit ihrer Partnerin in Wald ZH.
Die Anti-Rassismus-Strafnorm soll künftig auch Hass und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe stellen. Dagegen hat ein Komitee das Referendum ergriffen und über 70‘000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Das müssen Sie über das Referendum gegen «Zensur von Schwulen-Witzen» wissen.
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Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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