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«Macht mir fürchterlich Angst»
Das fordert Star-Regisseur Joachim Trier von der Schweizer Politik

Joachim Triers neues Familien-Drama «Sentimental Value» setzt mit seiner nordischen Unaufgeregtheit den Kontrapunkt zu einem turbulenten Jahr 2025. Damit solche Werke entstehen können, nimmt der Regisseur auch Bundesbern in die Pflicht.
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In «Sentimental Value» kämpft Stellan Skarsgård als Gustav (hier mit Elle Fanning, 27) um die Liebe seiner Tochter.
Foto: AP

Darum gehts

  • Der norwegische Regisseur Joachim Trier veröffentlicht seinen Film «Sentimental Value»
  • Er fordert mehr europäische Zusammenarbeit zur Förderung des unabhängigen Kinos
  • Hauptdarsteller Stellan Skarsgård, 74, spielt einen alternden Regisseur
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Laszlo SchneiderTeamlead People-Desk

Trier hat Tradition. Während sein dänischer Namensvetter (und entfernt Verwandter) Lars von Trier (69) das europäische Autorenkino mit seiner Dogma-95-Bewegung und Filmen wie «Melancholia» oder «Nymphomaniac» einmal auf links drehte, geht es der norwegische Filmemacher Joachim Trier (51) gerne etwas ruhiger an.

Sein neuester Film «Sentimental Value» ist nicht zuletzt wegen seiner Nonchalance einer der besten des Jahres. Darin versucht ein alternder Regisseur (Stellan Skarsgård, 74), den Kontakt zu seiner entfremdeten Tochter (Renate Reinsve, 38) wiederherzustellen – indem er ihr eine Filmrolle anbietet. Ein Gespräch über Märchen, Vaterliebe und die Begeisterung fürs schräge, düster-komische skandinavische Kino. 

Blick: Herr Trier, wieso sind wir alle so verliebt ins unkonventionelle Kino aus dem hohen Norden?
Joachim Trier: Dafür gibt es eine einfache Erklärung: In den 1990ern und 2000ern haben die Kulturministerien in Skandinavien sehr viel Geld in die Hand genommen, um das freie Kino zu fördern. Das gab uns Filmemacherinnen und Filmemachern eine grosse Freiheit. Wir mussten und müssen uns nicht an die Regeln des Mainstream-Narrativs halten. Ich hatte darum nie den Drang, nach Hollywood zu müssen – persönliche Filme konnte ich auch zu Hause machen. Aber ...

... aber?
... momentan macht es mir ehrlich gesagt fürchterlich Angst, weil die kulturellen Anreize verschwinden. Es gibt immer weniger norwegische Filme; viele Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, sorgen sich um ihren Job. Das soll auch ein Appell an die Schweizer Politik sein: Wir brauchen mehr intereuropäische Zusammenarbeit im Kino. Das ist extrem wichtig für den gesellschaftlichen Diskurs – weil wir aktuell in einer Welt leben, in der uns polemischer Bullshit in Bildform verkauft wird. Dem müssen wir Kontra bieten.

Sie haben recht: Ihr neuer Film «Sentimental Value» ist alles andere als polemisch, Ihnen scheint Effekthascherei fremd zu sein, Ihre Filme spielen fast immer ausschliesslich in Norwegen.
Ich war in London, in Kopenhagen – aber ja verdammt, ich kenne die Strassen Oslos halt am besten. Hier kann ich mich selbst ausdrücken. Hier kann ich dir die Dinge zeigen, die mir wichtig sind. 

In der Schweiz würde man das «Heimatfilm» nennen.
(lacht) Ja, genau das ist es! Genau das bedeutet für mich Kino. Und dann will ich all den Beobachtungen, die ich mache, Sinn geben.

Persönlich: Joachim Trier

Joachim Trier (51) ist einer der renommiertesten norwegischen Filmemacher und Drehbuchautoren. Er wuchs in einer Künstlerfamilie auf und studierte Film in London. International bekannt wurde er mit der «Oslo-Trilogie»: «Reprise», Oslo, «31. August» und «Der schlimmste Mensch der Welt». Letzterer brachte Trier 2021 eine Oscar-Nominierung ein. Seine Filme kreisen um Identität, Beziehungen und mentale Gesundheit.

Getty Images For BFI

Joachim Trier (51) ist einer der renommiertesten norwegischen Filmemacher und Drehbuchautoren. Er wuchs in einer Künstlerfamilie auf und studierte Film in London. International bekannt wurde er mit der «Oslo-Trilogie»: «Reprise», Oslo, «31. August» und «Der schlimmste Mensch der Welt». Letzterer brachte Trier 2021 eine Oscar-Nominierung ein. Seine Filme kreisen um Identität, Beziehungen und mentale Gesundheit.

Die Hauptperson Gustav ist Regisseur und will sich nach langen Jahren der Abwesenheit wieder seiner Tochter annähern – ist das auch aus Ihrem Leben gegriffen?
Ich hoffe, ich bin nicht so wie Gustav. Aber natürlich stellt er eine gewisse Gefahr dar, die uns Filmemacher generell betrifft: Wir wollen die Dinge um uns herum kontrollieren. Am Set gelingt das vielleicht – im Privaten wird es dann schon schwieriger. 

Dennoch ist Gustav kein Unsympath.
Ich stehe nicht so sehr auf klassische Antagonisten. Gustav ist eine Figur, die ich mit der Zeit sehr, sehr gerne bekommen habe. Ich verstehe ihn, ohne so wie er sein zu wollen. Ich will ihn auch gar nicht entschuldigen: Er ist zeitweise ein Arschloch.

Oha!
Als ich jünger war, war ich sehr wütend auf Typen wie ihn. Heute bin ich davon überzeugt, dass seine Geschichte genauso erzählt werden muss. Gustav trägt das Trauma der Nachkriegsgeneration mit sich, über den Horror von früher sprach man nicht; es galt ausschliesslich der Blick nach vorn. Einigen – nicht allen – Männern, die in dieser Zeit aufgewachsen sind, fehlt das sprachliche Werkzeug, um sich emotional mitteilen zu können. Bei mir war das anders: Ich war früher Skater, ich bin gestürzt, habe gelacht und geweint. Ich habe mich nie als Macho gefühlt. Meine Freunde sind Anwälte geworden oder drogensüchtig. Obwohl wir alle anders rausgekommen sind, haben wir unseren Gefühlen immer freien Lauf gelassen. Dafür bin ich heute sehr dankbar. 

Joachim Trier: Was halten Sie von Happy Ends?
Wir alle stehen ab und zu auf Märchen mit Prinzen und Prinzessinnen, die auf einem Schimmel davon reiten. Ich persönlich will aber Filme machen, die dem Publikum Interpretationsspielraum geben – ohne dabei an der Oberfläche zu kratzen. Filme, denen es seine eigene Lebensgeschichte einhauchen kann. 

«Sentimental Value» von Joachim Trier läuft aktuell in der Deutschschweiz in den Kinos und hat mehrere Chancen auf einen Oscar. 

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