Darum gehts
- Tyra Zachmann kämpft gegen Lungenkrebs und verfolgt ihren Musiktraum
- Sie unterstützt ihren Partner Jeremy Seewer bei Motocross-Rennen
- Zachmann kontaktierte über 40 Produzenten für ihre Musikkarriere
«Wenn es jetzt fertig sein sollte, kann ich dann wirklich sagen, dass ich alles gemacht habe, was ich wollte?» Das sagt die 25-jährige Tyra Zachmann aus Diessenhofen TG im Gespräch mit Blick – und beantwortet die Frage gleich selbst mit einem Nein. Im Gegensatz zu den meisten anderen in ihrem Alter beschäftigt sie sich aber nicht wegen eines Tiktok-Trends oder eines Selbstoptimierungsbuchs mit der Frage; der Hintergrund ist viel ernster: Lungenkrebs. Die Diagnose erhielt sie im Januar 2024. Wenige Wochen zuvor überlebte ihr Vater einen schweren Unfall, seither ist er querschnittsgelähmt.
Das Leben ist endlich. Nicht alles gemacht zu haben, was sie immer wollte, will sich Tyra Zachmann nicht vorwerfen lassen müssen. Sie stellt sich ihrer Angst vorm Scheitern, kontaktiert über 40 Produzenten und findet mit Dominik Rivinius, der bereits für Taylor Swift und Eminem gearbeitet hat, jenen Mann, der ihr dabei helfen soll, ihren grossen Traum von der Musik wahr werden zu lassen. Sechs Songs sind fertig, der erste mit dem Titel «Thank You for Leaving» wurde am Donnerstag veröffentlicht. Zachmann zeigte sich davor sehr nervös. «Also ehrlich gesagt habe ich mega, mega Angst. Ich werde ihn wahrscheinlich hochladen, einen Post auf Social Media machen und das Handy dann abstellen für den Tag», sagt die Frau mit der so positiven Ausstrahlung und lacht.
«Dankbar für diese Erfahrung»
In ihrem Popsong «Thank You for Leaving» («Danke, dass du mich verlässt») verarbeitet Zachmann eine persönliche Erfahrung; es ist aber weder ihre Krebserkrankung noch der Unfall ihres Vaters, sondern eine toxische Beziehung. «Man merkt, dass es nicht das Richtige ist und nicht guttut. Aber man hat Angst, den Schritt zu wagen und zu gehen. Schlussendlich ist er gegangen, wollte nach drei Monaten jedoch wieder zurück. Aber da hatte ich bereits daraus gelernt. Mittlerweile bin ich dankbar für diese Erfahrung.»
Die junge Frau, die mit kurzen braunen statt der erwartet blonden langen Haaren im Interview erscheint, ist seit etwas mehr als zwei Jahren wieder in einer Beziehung – mit dem mehrfachen Vize-Weltmeister im Motocross, Jeremy Seewer (31). Durch ihre Familie war sie schon immer mit der Motocross-Szene verbunden, kannte Seewer schon deutlich länger. Aus Freundschaft wurde Liebe, zwei Monate, bevor das Schicksal ein erstes Mal zuschlagen sollte, kamen sie offiziell zusammen. Ihre Partnerschaft sei durch all die schlimmen Diagnosen nur noch stärker geworden. Doch für Zachmann ist auch klar, dass «wenn ich mit ihm nicht schon vor den ganzen Schicksalsschlägen eine so gute Partnerschaft gehabt hätte, wäre sie wahrscheinlich kaputtgegangen».
Seewer war es auch, der als Einziger von Beginn an über ihre Krebserkrankung im Bild war. «Ich habe es meiner Familie bis im Juli vergangenen Jahres nicht erzählt. Ich wollte ihnen die Bürde nicht aufbinden, ich hatte Angst. Ich hab meinem Partner gesagt, dass ich ihnen das nicht antun will und ihn gefragt, ob er meint, dass wir das miteinander schaffen. Er sagte Ja.»
Auch mit seiner Unterstützung gab es mit der Geheimhaltung das eine oder andere Problem. Denn eine Krebsbehandlung bleibt nicht ohne sichtbare Folgen. «Es gab halt ein paar Ausreden. Mir geht es nicht gut, ich habe die Grippe. Ich habe Haarausfall wegen Stress.» Ein halbes Jahr nach Erhalt der Diagnose vertraute sie sich den Eltern an. «Sie fanden es sehr schlimm, es hat ihnen für mich sehr leidgetan. Meine Mutter musste weinen und sagte: ‹Was habe ich falsch gemacht in meinem Leben, dass wir das verdienen?› Ich habe dann gesagt, das Schicksal suche die Leute aus, von denen es das Gefühl hat, sie würden es ertragen.»
«Und jetzt, was tun wir noch?»
Ihren Krebs hat Tyra Zachmann noch nicht besiegt, sie lässt sich davon jedoch nicht unterkriegen. Sie begleitet Jeremy Seewer auf seiner Tour und spielt dort sein persönliches Heinzelmännchen. «Ich gehe mit, um ihm alles abzunehmen, was irgendwie geht. Normalerweise, wenn sie nicht gerade so weit weg sind wie derzeit in Finnland, fahre ich das Wohnmobil an die Rennen und schaue, dass alles drin ist, auch, was es zum Kochen braucht und so weiter.»
Daneben studiert sie Psychologie, befindet sich weiter in Behandlung und startet nun auch noch eine Musikkarriere. Wann es ihr dann mal zu viel wird? «Bis jetzt bin ich noch nie an diesen Punkt gekommen und konnte immer alles jonglieren. Ich habe – wenn ich nicht gerade ein Tief hab – auch immer sehr viel Energie. Auch nach einem vollen Tag, wenn wir um sieben fertig sind, frage ich ‹Und jetzt, was tun wir noch?›»