Verschmutztes Trinkwasser, überdüngte Felder, Artensterben: Die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft gaben in den letzten Jahren viel zu reden – und viele Bauern sahen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Mit der Corona-Krise ist die Kritik nicht verschwunden. Doch die Kritisierten spüren, dass sich die Einstellung der Gesellschaft zu ihnen verändert hat.
«Das Verständnis und die Wertschätzung, die uns entgegengebracht wird, ist extrem gestiegen», sagt Stefan Krähenbühl (42), Biobauer aus Greng FR. Und fügt an: «Jene Stimmen, die sonst systematisch gegen die Landwirtschaft wettern, sind jetzt verstummt.»
Nachfrage «ging durch die Decke»
Pascal Gutknecht (40), Gemüseproduzent aus Ried bei Kerzers FR, drückt es nicht ganz so pointiert aus. Aber auch er stellt fest: «Die Leute schätzen das Regionale, Saisonale auf einmal viel mehr.» So sei die Nachfrage auf seinem Hofladen «durch die Decke» gegangen. Und: Die Konsumenten verlangen Schweizer Erzeugnisse.
«Selbst wenn das Gemüse aus dem Ausland günstiger ist, greifen die Kunden derzeit vor allem zu einheimischen Produkten», stellt Gutknecht fest. Zudem sei das Verständnis dafür gewachsen, dass nicht immer alles verfügbar sei.
«Früher kamen die Kunden oft mit ihrer Küchen-App in den Hofladen, verlangten dies oder jenes – und konnten nicht verstehen, wenn es das gerade nicht gab. Heute fragen sie: Was hat im Moment Saison?»
Weniger strikte Auslegung der Normen
Nicht nur die Kunden, auch Migros und Coop zeigen sich in Corona-Zeiten flexibler als sonst. Eigentlich hat der Handel zusammen mit den Produzenten genau definiert, wie gross oder klein etwa ein Rüebli sein darf. Entspricht es nicht der Norm, darf es nicht verkauft werden.
Weil mit dem Lockdown aber die Nachfrage der Gastronomie nach grösseren Exemplaren weggebrochen ist, haben sich Migros und Coop bereit erklärt, auch die «zu grossen» Rüebli zu verkaufen. Ebenso wie übergrosse Sellerie oder Salatköpfe. Das freut Pascal Gutknecht, dessen Betrieb zu den grössten im Freiburger Seeland zählt. «Es ist schön, dass man einander derzeit hilft und so gegen die Lebensmittelverschwendung vorgeht», sagt er.
Martin Rufer, Direktor des Bauernverbands, weiss das Entgegenkommen der Detailhändler zu schätzen, spricht aber auch den wunden Punkt an: restriktive Regelungen, die bestimmen, ab wann ein Rüebli zu krumm, ein Salat zu klein ist. «Wir setzen uns schon seit längerem dafür ein, dass diese Normen weniger strikt ausgelegt werden.»
Trockenheit wird zum Problem
Rufer wünscht sich, dass sowohl in der Wertschöpfungskette – sprich Produzenten, Verarbeiter, Supermärkte – als auch bei den Konsumenten ein Umdenken stattfindet. Denn wenn das krumme Gemüse am Ende doch von den Kunden verschmäht wird und im Regal liegen bleibt, ist keinem geholfen.
Trotz gestiegenen Absatzes von einheimischen Produkten – ganz sorgenfrei sind die Bauern nicht. Zu schaffen macht ihnen derzeit vor allem der ausbleibende Regen: Das Wetter ist in diesem Jahr sogar noch trockener als im Frühjahr 2018, das bereits aussergewöhnlich niederschlagsarm war. Für die nächsten zwei Wochen rechnet Meteo Schweiz höchstens mit einzelnen Schauern, aber nicht mit lang anhaltenden Niederschlägen.
«Wenn es die nächsten Wochen nicht regnet, haben wir ein Problem», sagt Rufer vom Bauernverband. Denn gewisse Kulturen wie Kartoffeln, Zuckerrüben oder Mais sind bereits ausgesät. Dauert die Trockenheit länger an, drohen laut Rufer Produktionsausfälle.
Da er viele seiner Kulturen bewässern kann, ist Pascal Gutknecht vom fehlenden Regen etwas weniger betroffen. Doch auch ihm bereitet es Sorgen, dass die Phasen der Trockenheit zunehmend länger werden.
Tröstlich immerhin: 2018 folgte auf den trockenen Frühling dann doch von Mai bis Juni viel Regen.
Ein wenig Hoffnung besteht also noch.