SP-Präsident Christian Levrat tritt von seinem Amt zurück
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Bereits nächstes Jahr:SP-Präsident Christian Levrat tritt von seinem Amt zurück

Exklusiv – SP-Chef Levrat kündigt im BLICK Rücktritt an
Im April ist Schluss!

Nach seiner Wiederwahl in den Ständerat lässt SP-Chef Christian Levrat (49) die Katze aus dem Sack: Nach zwölf Jahren wird er im Frühling zurücktreten. Vorher haut er im BLICK-Interview noch einmal auf die Pauke.
Publiziert: 12.11.2019 um 04:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2019 um 12:05 Uhr
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Christian Levrat (49) gibt im Interview mit BLICK seinen Rücktritt bekannt.
Foto: Peter Mosimann
Pascal Tischhauser und Lea Hartmann

Gestern traf BLICK den am Sonntag als Freiburger Ständerat wiedergewählten Christian Levrat (49) gut gelaunt im Bundeshaus. Während andere Parteichefs im Wahlkampf immer recht angespannt wirkten, war der SP-Präsident richtiggehend gelöst.

BLICK: Herr Levrat, Gratulation zu Ihrer Wiederwahl! Ihr Kanton hat den Wahlausgang ja extra spannend gemacht.
Christian Levrat: Vielen Dank. Ich bin froh, dass ich mit einem guten Ergebnis wiedergewählt wurde. Vor vier Jahren stand mir mit Jean-François Rime ein SVPler gegenüber. Das hat links stark mobilisiert. Darum war es dieses Mal nicht selbstverständlich, so viele Stimmen zu erhalten. Aber ja, Freiburg hat mit den Problemen beim Auszählen noch den letzten Nagel in den Sarg des E-Votings geschlagen.

Für Herrn Vonlanthen endete der Tag weniger glücklich als für Sie. Warum hat die Freisinnige Johanna Gapany dem bisherigen CVP-Ständerat den Sitz wegschnappen können?
Die FDP hat für Frau Gapany eine professionelle Kampagne durchgezogen. Das war bei der CVP nicht der Fall. Zudem gab es eine offensichtliche Unterstützung Gapanys durch die SVP-Wählerschaft.

Beat Vonlanthen wurde als künftiger Fraktionschef gehandelt, als Nachfolger von Filippo Lombardi, der bald abtreten soll. Wie sieht es bei Ihnen aus? Wie lange bleiben Sie noch Präsident?
Nun, ich bin nicht zu lebenslänglich verurteilt worden. Ich durfte zwölf Jahre lang die SP mit grosser Freude führen. Ich durfte Tausende spannende Menschen in fast allen Schweizer Dörfern treffen. Im Frühling werde ich mich aber kein weiteres Mal zur Wiederwahl als SP-Präsident stellen.

Geben Sie dem Druck aus Ihrer Partei nach?
Meinen Abgang im Frühling haben wir schon lange beschlossen. Bereits Anfang 2019 haben wir darum den Parteitag von November 2020 auf April vorgezogen. Jetzt hat die Partei Zeit, meine Nachfolge zu regeln. Und meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger hat ab Frühling 2020 genügend Zeit, um die SP in die Wahlen 2023 zu führen.

Sie wollen uns sagen, dass Ihr Abgang nichts mit dem schlechten Abschneiden bei den Wahlen 2019 zu tun hat?
So ist es. Aber natürlich ist der Wechsel an der Parteispitze eine Chance für die Partei. So kann sie – und das muss sie – die Wahlresultate unbelastet und sauber analysieren.

Wichtige Parteiexponenten wie Jacqueline Fehr forderten Ihren Rücktritt. Schmerzt das?
Das gehört zur Politik. Wenn Sie Dankbarkeit erwarten, sind Sie in der Politik falsch. Man kann sich fragen, ob es schlau war, sie vor den zweiten Wahlgängen zu machen, aber man sollte solche Äusserungen nicht überbewerten.

Was für Fehler haben Sie gemacht, die zum schlechten Abschneiden der SP führten?
Die Wahlkampf-Bilanz müssen wir parteiintern machen. Wir müssen genau anschauen, ob die Themenwahl die richtige war und wir uns anders von den Grünen hätten abgrenzen sollen. Aber das Wichtigste ist, dass wir uns nicht zu lange damit aufhalten zurückzuschauen.

Aber es war für die SP eine historische Wahlniederlage!
Und für die FDP und die CVP ebenfalls. Zudem hat auch die SVP das schlechteste Ergebnis seit 1999 eingefahren. Mir ist es aber recht, wenn sich die Rechte mit sich selbst beschäftigt. Die Grünen und die SP sind gewählt worden, um vorwärtszumachen. Die Legislatur beginnt mit zwei enorm wichtigen Abstimmungen, die wir gewinnen müssen: die Kündigungsinitiative der SVP und das Referendum gegen das CO2-Gesetz. Wenn wir eine der beiden Abstimmungen verlieren, haben wir die ganze Legislatur vermasselt.

Was sind davon abgesehen die grossen Herausforderungen der nächsten vier Jahre?
Nach dem CO2-Gesetz brauchen wir gleich einen Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative mit griffigen Massnahmen. Bei der Altersvorsorge, konkret der Pensionskassenreform, müssen wir den Vorschlag der Sozialpartner aufnehmen: Wir erhöhen alle Renten um 200 Franken und finanzieren das mit einer Erhöhung der Beiträge um 0,3 Prozentpunkte. Und um gegen die hohen Gesundheitskosten vorzugehen, richte ich mich an die Fraktionen: Entfernt eure Lobbyisten aus der Gesundheitskommission!

Was ist mit dem EU-Dossier?
Wie gesagt: Erst einmal muss die Kündigungsinitiative abgewehrt werden. Danach müssen die Sozialpartner einen neuen Vorschlag für den Lohnschutz nach Brüssel schicken.

Erst muss doch Brüssel in drei Punkten Präzisierungen formulieren.
Daran glaube ich nicht mehr. Entweder die EU akzeptiert eine Anpassung des Vertrags, oder es braucht einen neuen Rahmenvertrag. Es gibt also noch viel zu tun. Darum sage ich meiner SP: Kopf hoch und kämpft! Denn uns darf nicht passieren, was den Bürgerlichen passiert ist.

Nämlich?
Die SVP feierte 2007 ihren grossen Wahlsieg, und zwei Monate später wurde Christoph Blocher abgewählt. Und acht Jahre später feierten die Bürgerlichen ihre Parlamentsmehrheit und wurden bei der Unternehmenssteuerreform vom Volk abgewatscht.

Keine einfache Ausgangslage für Ihren Nachfolger oder Ihre Nachfolgerin. Was für eine Persönlichkeit braucht es jetzt an der SP-Spitze?
Ich bin der Letzte, an dem es ist, hier Vorgaben zu machen. Ich habe zwölf Jahre Zeit gehabt, um zu sagen, was ich sagen will. Für die Zeit danach habe ich zu schweigen.

Nach so langer Zeit wissen Sie aber, wen es braucht.
Ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vorgänger, auch weil mir Hans-Jürg Fehr nicht dreingeredet hat. Das will ich auch so halten.

Dann reden wir halt über eine andere Frage, die derzeit bewegt: Gibt es jetzt einen grünen Bundesrat?
SVP und FDP sind übervertreten. Der logischste Weg ist, dass die Freisinnigen einen Sitz abtreten. Schliesslich sind sie nur noch die fünftstärkste Kraft im Nationalrat. Der Ball liegt bei den Grünen. Sie müssen uns sagen, wann und wie sie zu einem Sitz kommen wollen. Und es würde mich interessieren, was die SVP davon hält, wenn die Grünen nicht schon im Dezember zum Zug kommen.

Warum ausgerechnet die SVP?
Bei ihr gibt es wohl die nächste Vakanz. Dann ist ihr zweiter Sitz in Gefahr. Dies könnte sie schon im Dezember abwenden.

So lange wollen die Wähler sicher nicht warten. Sollen die Grünen also schon im Dezember einen Bundesrat erhalten?
Das hängt davon ab, was die Gespräche mit den Parteien ergeben. Ich werde Druck machen, um hier Antworten zu bekommen. Zu sagen, die Grünen hätten Anspruch, ohne zu sagen wann und wie, ist heuchlerisch.

Sie haben dasselbe getan und sich für neun Bundesräte ausgesprochen. Diese Änderung bräuchte aber sicher zehn Jahre. So lange wären die Grünen ohne Bundesrat.
Das stimmt. Aber ich finde unabhängig vom jetzigen Wahlergebnis, dass es eine Erweiterung des Bundesrats braucht. Nur weil man sich vor 170 Jahren auf sieben geeinigt hatte, muss die Anzahl nicht in Stein gemeisselt sein.

Wenn es aber in einem Monat schon einen grünen Bundesrat braucht, muss jemand abgewählt werden. Wer? Muss es Ignazio Cassis sein? Sie bezeichnen ihn schliesslich als Praktikanten.
Dass mich die Leistung von Cassis nicht begeistert, ist allgemein bekannt und gilt nach wie vor. Die Affäre Krähenbühl um das Palästinenserhilfswerk UNRWA hat er sehr ungeschickt gelöst. Es geht um einen Schweizer, der mit seinem Verhalten massive Schwierigkeiten im Nahen Osten verursacht. Und was tut die Schweiz? Sie friert die Zahlungen ans Hilfswerk ein und bestraft so die Organisation statt den Verantwortlichen.

Konkret: Ist für die SP seine Abwahl vorstellbar?
Wir haben immer Hemmungen gehabt, einen amtierenden Bundesrat abzuwählen. Ich selbst habe das nur einmal bei Christoph Blocher getan, weil er sich nicht den Regeln unserer Regierung unterwerfen wollte. Das ist bei Cassis nicht der Fall. Und dennoch braucht es für die Grünen eine Lösung.

Hängt es denn von den Kandidaten der Grünen ab? Würden Sie Grünen-Chefin Regula Rytz wählen?
Zu Namen äussere ich mich nicht. Ich erwarte von den Grünen, dass sie wählbare Persönlichkeiten vorschlagen.

Ist Frau Rytz nicht zu links?
Das ist kein Kriterium. Ueli Maurer politisiert auch ganz rechts und dennoch macht er seinen Job nicht schlecht.

Zum Schluss aber zurück zu Ihnen. Nach zwölf Jahren als Parteipräsident – was für Pläne haben Sie für die Zukunft?
Ich bin offen und habe die Chance, neugierig zu sein. Ich werde zuerst etwas Sport treiben müssen im Winter, um wieder in Form zu kommen. Die Gesundheit hat etwas gelitten unter den Exzessen der letzten Jahre.

Was heisst das?
Ich habe zugenommen. Deshalb fahre ich nun viel Velo. Im April will ich die legendäre Rennstrecke Paris–Roubaix fahren. Von daher muss ich rasch wieder abnehmen. Gestern haben mir meine Freunde einen strikten Trainingsplan dafür präsentiert.

Strippenzieher im Bundeshaus

Seit bald zwölf Jahren ist Christian Levrat (49) SP-Präsident. Damit ist er der amtsälteste Parteichef. Der Freiburger ist seit 2003 im Bundeshaus – zuerst als Nationalrat, seit 2012 als Ständerat. Beruflich war Levrat für die Schweizerische Flüchtlingshilfe sowie als Präsident der Gewerkschaft Kommunikation tätig. Er gehörte bei der Abwahl von SVP-Bundesrat Christoph Blocher zu den Strippenziehern. Levrat gilt als begeisterter Schachspieler. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Seit bald zwölf Jahren ist Christian Levrat (49) SP-Präsident. Damit ist er der amtsälteste Parteichef. Der Freiburger ist seit 2003 im Bundeshaus – zuerst als Nationalrat, seit 2012 als Ständerat. Beruflich war Levrat für die Schweizerische Flüchtlingshilfe sowie als Präsident der Gewerkschaft Kommunikation tätig. Er gehörte bei der Abwahl von SVP-Bundesrat Christoph Blocher zu den Strippenziehern. Levrat gilt als begeisterter Schachspieler. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

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