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BlickPunkt von Christian Dorer:Sechsspurige Autobahnen? Ja, bitte!

BlickPunkt über sechsspurige Autobahnen
Total breit

Der Bundesrat will alle bedeutenden Autobahnen auf sechs Spuren ausbauen – und erntet damit hauptsächlich Empörung. Wirklich empörend ist: dass dieser Ausbau nicht längst stattgefunden hat.
Publiziert: 11.01.2019 um 21:53 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 12:25 Uhr
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Christian Dorer

Der tägliche Wahnsinn auf unseren Strassen – jeder schimpft darüber, keiner fragt sich, was der Grund für die unzähligen kleinen und grossen Staus ist, kaum einer weiss, dass Autofahrer heute doppelt so lang im Stau stehen wie vor zehn Jahren.

Aber die Rechnung ist einfach: Die Bevölkerung nimmt jährlich um 50'000 bis 80'000 Menschen zu; in 15 Jahren ist eine Million Einwohner dazugekommen; Monat für Monat werden in der Schweiz 20'000 bis 30'000 Autos neu immatrikuliert – und die Strassen sind bis auf punktuelle Ausbaumassnahmen die gleichen geblieben. Wundert sich da noch jemand über den Endlosstau?

Nun hat der Bundesrat endlich erkannt, dass er handeln muss. Er will alle primären Verkehrswege auf sechs Spuren ausbauen, die meisten von rund 1500 Kilometern Autobahn. Zudem sollen um alle grossen Städte herum Ringstrassen entstehen.

Doch statt Lob für ihre späte, aber entscheidende Erkenntnis kassierte die Landesregierung vor allem Kritik. Natürlich von links («unökologisch»), aber auch von Verkehrswissenschaftlern, sogar von der bürgerlichen «NZZ am Sonntag»: «Der Bundesrat setzt zu stark auf Beton», hiess es dort.

Es ist ein Shitstorm aus dem Elfenbeinturm. Die Kritiker sitzen in schönen Büros, im Stau stehen sie selten. Doch wer die tägliche Tortur auf der Strasse kennt, redet anders. Lastwagenfahrerin Caroline Scheuber brachte es im BLICK auf den Punkt: «Die Strassen sind verstopft. Es ist zu eng, und es wird immer schlimmer. Man muss etwas unternehmen!»

Also, worauf warten wir noch?!

Ein Vorwurf allerdings ist mehr als berechtigt: dass der Bundesrat erst jetzt handelt! In jedem anderen Land wäre zum Beispiel die A1 seit Jahren durchgehend sechsspurig.

Ein funktionierendes Verkehrsnetz ist die Grundvoraussetzung für eine blühende Volkswirtschaft. Viele brauchen das Auto, um zur Arbeit zu kommen. Und gäbe es keine Lastwagen, hätten die Geschäfte nichts zu verkaufen.

In der kleinräumigen Schweiz dienen Autobahnen in erster Linie als Umfahrungen. Wenn der Verkehr dort stockt, weicht er auf Landstrassen aus, verstopft Dörfer und Städte. Zwei zusätzliche Spuren schaffen nicht nur mehr Kapazität, sondern auch grössere Flexibilität: weil dann nicht immer alles gleich blockiert ist, wenn ein Lastwagen den anderen überholt.

Wer jetzt behauptet, der Ausbau der Autobahnen sei überflüssig, weil sich selbstfahrende Autos demnächst Stossstange an Stossstange bewegen könnten, unterschlägt einen entscheidenden Faktor: Autonome Fahrzeuge sind ein Szenario der Zukunft. Bevor sie serienreif sind, werden noch Jahrzehnte vergehen. Bis dahin aber wird die Bevölkerung weiter wachsen und werden jährlich Hunderttausende neue Autos verkauft.

Nicht zuletzt: Die Welt gehört den Mutigen! Alle grossen Strassen-, Eisenbahn- oder Tunnel-Projekte waren höchst umstritten. Doch sobald sie realisiert waren, konnte sie sich kaum jemand mehr wegdenken.

Oder will jemand ernsthaft zurück in die Zeit vor den Autobahnen?

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