Regierungskrise in Italien
Fünf-Sterne-Parteimitglieder sollen über Koalition abstimmen

Der Vorsitzende von Italiens Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, will die Parteimitglieder über eine mögliche Regierungskoalition mit der sozialdemokratischen PD abstimmen lassen. Staatschef Sergio Mattarella will bis Mittwochabend eine Entscheidung.
Publiziert: 28.08.2019 um 03:22 Uhr
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Aktualisiert: 28.08.2019 um 09:52 Uhr
Italiens Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio will seine Parteimitglieder in einer Online-Abstimmung über eine mögliche Regierungskoalition mit der sozialdemokratischen PD entscheiden lassen. (Archivbild)

Die Fünf-Sterne-Mitglieder würden in einer Online-Abstimmung über ein Bündnis mit der Demokratischen Partei (PD) befragt, sagte Di Maio am Dienstagabend. Nur wenn das Votum positiv ausfalle, werde die Fünf-Sterne-Bewegung die Koalition eingehen.

Koalition könnte an Conte-Personalie scheitern

Beobachter warnen, dass die Parteibasis sich gegen ein Bündnis mit der PD aussprechen könnte. Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung hat ihre Mitglieder immer wieder online über wichtige politische Fragen abstimmen lassen - unter anderem über die Bildung einer Koalition mit der ausländerfeindlichen Lega von Matteo Salvini im vergangenen Jahr.

Vertreter von Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten hatten am Dienstag ihre Beratungen über eine mögliche Regierungskoalition fortgesetzt. Beide Parteien zeigten sich optimistisch, nachdem es zuvor Streit über die Frage gegeben hatte, ob der parteilose Ministerpräsident Giuseppe Conte auch eine neue Regierung führen soll.

Medienberichten zufolge wollen die Sozialdemokraten Conte nun mittragen, wenn sie im Gegenzug wichtige Ministerien bekommen, etwa das Aussenministerium und das Wirtschaftsministerium. Conte hat sich bei den Italienern einen guten Ruf erarbeitet - und bekam am Dienstag gar die Rückendeckung von US-Präsident Donald Trump.

Wohin geht Fünf--Sterne-Chef Di Maio?

Ein weiterer Streitpunkt bei den Gesprächen in Rom ist der künftige Regierungsposten für Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio, der politisch geschwächt ist. Die Partei liess zuletzt dementieren, dass er das Innenministerium für sich in Anspruch nimmt.

Die beiden Parteien, die sich lange in tiefer Abneigung gegenüberstanden, verhandeln seit einer Woche über eine mögliche Regierungskoalition.

Der scheidende Innenminister Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega hatte Anfang August das erst 14 Monate alte Regierungsbündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung platzen lassen. Er warf den beiden Parteien vor, sie würden «Kuhhandel» um Ministerien betreiben, anstatt ein Regierungsprogramm zu erarbeiten.

Die Zeit zur Regierungsbildung drängt

Staatschef Sergio Mattarella hat der Fünf-Sterne-Bewegung und der PD Zeit bis Mittwochabend für eine Einigung gegeben. Mattarella hatte letzte Woche angekündigt, dass das Land eine schnelle Entscheidung brauche. Eine Neuwahl sei das letzte Mittel.

Bis Ende Dezember muss das wichtige Haushaltsgesetz verabschiedet werden. Italien ist hoch verschuldet und liegt mit der EU-Kommission deshalb im Dauerstreit.

(SDA)

Wer ist eigentlich Giuseppe Conte?

Bis vor Juni 2018 war Giuseppe Conte für die Öffentlichkeit in Italien ein Unbekannter. Der Professor für Privatrecht tauchte damals als Kompromisskandidat für den Premierposten einer Regierung aus Lega und Fünf Sternen auf.

Als «Strohmann» wurde der 55-jährige Conte bei seinem Amtsantritt als Regierungschef von Europas erstem populistischen Kabinett geschmäht. Der Rechtsanwalt mit den pomadisierten Haaren und den eleganten Anzügen wurde von seinen zwei Vizes bestimmt, Luigi Di Maio von den Cinque Stelle und Matteo Salvini von der Lega. Seine Kritiker warfen ihm vor, für seine populistischen Stellvertreter nur als reiner Erfüllungsgehilfe zu dienen und in der neuen Regierung nicht das Sagen zu haben.

Conte überzeugt mit Leistung

Inzwischen hat sich die Lage geändert. Der Ministerpräsident hat in den letzten Monaten sehr an politischer Statur, an staatsmännischer Erfahrung sowie auch an Popularität gewonnen. Zweimal konnte dank Contes Einsatz in Brüssel ein Defizitverfahren abgewendet werden. 

In seiner schwierigen Aufgabe, zwischen den ungleichen Partnern Fünf Sterne und Lega zu vermitteln, hat er stets als sachlicher Moderator gewirkt, der über den Parteien steht und immer die Verfassung im Auge behält. Dabei hat er viel Dialogbereitschaft und Kompetenz bewiesen.

Dank seiner Ruhe und seines diplomatischen Geschicks ist Conte laut Umfragen zum populärsten Politiker aufgerückt und überragte sogar den polternden Lega-Chef Salvini, der vor dem Bruch der Regierungskoalition auf Erfolgskurs segelte.

Contes Karriere

Der 1964 geborene Conte stammt aus Volturara Appula, einem 400-Einwohner-Dorf nahe der apulischen Stadt Foggia. In die Schule musste er daher ins nahe gelegene San Giovanni Rotondo pendeln, den Wallfahrtsort des italienischen Nationalheiligen Padre Pio. Hier arbeitete auch Contes Vater einst in der Gemeindeverwaltung als Beamter. 

1988 promovierte Conte an der römischen Universität «La Sapienza» summa cum laude. Conte war vor seinem Wechsel in den Regierungssitz in Rom Professor für Privatrecht in Florenz und an der römischen Universität LUISS. Er war Mitglied des Obersten Verwaltungsgerichts und Direktor verschiedener Rechtspublikationen sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees der italienischen Notariatsstiftung.

Wie sieht seine Politik aus?

Politisch gilt Conte als progressiv und europafreundlich. Der geschiedene Vater eines elfjährigen Sohnes hatte sich auf Druck seines Freundes Alfonso Bonafede, scheidender Justizminister und rechte Hand von Fünf-Sterne-Chef Di Maio, der populistischen Bewegung genähert, war ihr jedoch nie beigetreten. (SDA)

Bis vor Juni 2018 war Giuseppe Conte für die Öffentlichkeit in Italien ein Unbekannter. Der Professor für Privatrecht tauchte damals als Kompromisskandidat für den Premierposten einer Regierung aus Lega und Fünf Sternen auf.

Als «Strohmann» wurde der 55-jährige Conte bei seinem Amtsantritt als Regierungschef von Europas erstem populistischen Kabinett geschmäht. Der Rechtsanwalt mit den pomadisierten Haaren und den eleganten Anzügen wurde von seinen zwei Vizes bestimmt, Luigi Di Maio von den Cinque Stelle und Matteo Salvini von der Lega. Seine Kritiker warfen ihm vor, für seine populistischen Stellvertreter nur als reiner Erfüllungsgehilfe zu dienen und in der neuen Regierung nicht das Sagen zu haben.

Conte überzeugt mit Leistung

Inzwischen hat sich die Lage geändert. Der Ministerpräsident hat in den letzten Monaten sehr an politischer Statur, an staatsmännischer Erfahrung sowie auch an Popularität gewonnen. Zweimal konnte dank Contes Einsatz in Brüssel ein Defizitverfahren abgewendet werden. 

In seiner schwierigen Aufgabe, zwischen den ungleichen Partnern Fünf Sterne und Lega zu vermitteln, hat er stets als sachlicher Moderator gewirkt, der über den Parteien steht und immer die Verfassung im Auge behält. Dabei hat er viel Dialogbereitschaft und Kompetenz bewiesen.

Dank seiner Ruhe und seines diplomatischen Geschicks ist Conte laut Umfragen zum populärsten Politiker aufgerückt und überragte sogar den polternden Lega-Chef Salvini, der vor dem Bruch der Regierungskoalition auf Erfolgskurs segelte.

Contes Karriere

Der 1964 geborene Conte stammt aus Volturara Appula, einem 400-Einwohner-Dorf nahe der apulischen Stadt Foggia. In die Schule musste er daher ins nahe gelegene San Giovanni Rotondo pendeln, den Wallfahrtsort des italienischen Nationalheiligen Padre Pio. Hier arbeitete auch Contes Vater einst in der Gemeindeverwaltung als Beamter. 

1988 promovierte Conte an der römischen Universität «La Sapienza» summa cum laude. Conte war vor seinem Wechsel in den Regierungssitz in Rom Professor für Privatrecht in Florenz und an der römischen Universität LUISS. Er war Mitglied des Obersten Verwaltungsgerichts und Direktor verschiedener Rechtspublikationen sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees der italienischen Notariatsstiftung.

Wie sieht seine Politik aus?

Politisch gilt Conte als progressiv und europafreundlich. Der geschiedene Vater eines elfjährigen Sohnes hatte sich auf Druck seines Freundes Alfonso Bonafede, scheidender Justizminister und rechte Hand von Fünf-Sterne-Chef Di Maio, der populistischen Bewegung genähert, war ihr jedoch nie beigetreten. (SDA)

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