Verzicht? Nein, danke.
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BlickPunkt:Verzicht? Nein, danke.

BlickPunkt über den Klimaschutz
Verzicht? Nein, danke!

Endlich ist das Klima zum Top-Thema geworden. Endlich ist die Erkenntnis da, dass wir dabei sind, unseren Planeten zu verheizen. Und doch ist es illusorisch zu glauben, die Menschen wären zu Opfern bereit, um eine Katastrophe zu verhindern.
Publiziert: 16.03.2019 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 18.03.2019 um 09:18 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
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Christian Dorer

Manchmal braucht es einen Ruck. Ein Ereignis. Und eine Ikone. Dass der Mensch mit grosser Wahrscheinlichkeit dabei ist, einen menschheitsgefährdenden Klimawandel herbeizuführen, ist seit Jahrzehnten bekannt. Aber erst vor ein paar Wochen wurde das Weltklima plötzlich zum Thema, das alle bewegt.

Man mag über die wunderliche 16-Jährige aus Schweden schnöden, die von ihr angestossenen europaweiten Schülerproteste belächeln. Ohne Greta Thunberg jedoch stünde das Klima heute nicht halb so weit oben auf der politischen Agenda.

Die Debatte über die Erderwärmung dürfte den Ausgang der National- und Ständeratswahlen im Herbst mitbestimmen. Das erklärt, weshalb FDP-Chefin Petra Gössi mit ihrer Partei gerade eine energiepolitische 180-Grad-Wende hingelegt hat – wer da zu spät kommt, den bestraft der Wähler. Das erklärt aber auch, wieso die Hersteller am Autosalon in Genf ausschliesslich über Elektromobilität sprechen – wer da zu spät kommt, den bestraft der Käufer.

BLICK hat diese Woche in einer Serie so gründlich wie grundsätzlich über Ursachen, Folgen, Streitfragen der Klimadebatte berichtet. Aber auch darüber, was jeder und jede von uns jetzt tun kann, tun sollte.

Und das ist die Krux: Übers Klima reden ist das eine, am eigenen Verhalten etwas ändern das andere. Wird es konkret, gilt meist das Motto: Verzicht? Nein, danke!

Selbst die Jungen, unsere engagiertesten Klimakämpfer, stecken in diesem Widerspruch. Eine repräsentative Umfrage unter 15- bis 25-Jährigen ergab: Zwei von drei finden, die Politik müsse «radikale Massnahmen» ergreifen. Doch ebenso viele lehnen Verbote ab. Und nur eine knappe Mehrheit befürwortet eine Flugticketabgabe, nur 42 Prozent sind bereit, auf Flugreisen zu verzichten.

Wären Sie bereit, im Interesse des Klimas aufs neuste Smartphone, den saftigsten Hamburger, das wohligste Wellness-Bad zu verzichten? Wohl kaum … Deshalb werden wir die Klimakatastrophe auch kaum mit Einschränkungen und Verboten abwenden. Weil die menschliche Gesellschaft ihren Lebensstandard noch nie in der Geschichte freiwillig gesenkt hat.

Wir werden das Klima – wenn überhaupt! – nur mit Hilfe des technischen Fortschritts retten.

Auch in der Vergangenheit kamen Neuerungen in der Umweltpolitik ausschliesslich durch Innovation zustande, nie durch kollektiven Verzicht. Der Mensch verzichtet nun mal nicht gern auf sein Auto, die Heizung, Spraydosen, Waschmittel oder Beleuchtung. Dank des technischen Fortschritts jedoch wurde bleihaltiges Benzin überflüssig, der Automotor sauberer und sparsamer, wurde der Ozonkiller FCKW aus Spraydosen und das Phosphat aus Waschmitteln verbannt, die Glühbirne durch LEDs ersetzt.

Neue elektrische Geräte verbrauchen nur noch einen Bruchteil des Stroms, Häuser lassen sich mit Erdwärme heizen statt mit Öl oder Gas, intelligente Bautechniken minimieren den Stromverbrauch, Plastikverpackungen sind dünner als früher – und all das schränkt uns kein bisschen ein, es gibt uns sogar ein gutes Gefühl.

Sind darum all die Proteste dieser Tage für die Katz?

Nein, denn auch das lehrt die Geschichte: Ohne Druck verändert sich nie etwas. Weder in der Politik noch in der Industrie!

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