Es ist bemerkenswert, dass man heutzutage glaubt, es stimme etwas nicht, wenn man nicht spätestens nach dem zweiten Date miteinander ins Bett geht. Wo steht geschrieben, dass eine Beziehung sofort mit Volldampf loszubrausen hat? Gewiss, diese Dinge geschehen heute ungezwungener als zu Grossmutters Zeiten, wo man erst jahrelang sonntags spazieren ging und dann heiratete, bevor man sich überhaupt berührte. Aber indem man jedes Mal gleich drauflosvögelt, als gäbe es kein Morgen, bringt man sich um eine Reihe von wichtigen Einsichten, die halt ein wenig Zeit und Kommunikation erfordern: Wie fühle ich mich mit diesem Menschen? Was will ich von ihm? Was will er von mir? Was zieht mich an ihm genau an? Lasse ich mich auf ihn ein, weil es passt, oder weil sonst grad niemand da ist?
Es ist überhaupt nichts einzuwenden gegen fröhliche One-Night-Stands und lockere Liaisons. Es ist jedoch eine Menge einzuwenden gegen Sex, der missbraucht wird, um einen geringen Selbstwert anzuheben, Ängste zu vertreiben oder sonst wie von sich abzulenken, denn Intimität hat immer Konsequenzen, was uns meist erst bewusst wird, wenn wir uns leer und beschmutzt fühlen. Im schlimmsten Fall fühlen wir uns irgendwann nur noch so.
Freuen Sie sich also an den zwei guten Dates, überlegen Sie, was Ihnen genau gefallen hat an diesem Mann, und nutzen Sie ein drittes Treffen, um die obigen Fragen gemeinsam zu erörtern. Sagen Sie: Du gefällst mir. Ich möchte mehr von dir. Was möchtest du von mir? Falls beide das Gleiche wollen, erfreuen Sie sich aneinander, egal für wie lange. Aber wenn Sie feststellen, dass Sie mehr wollen als er oder etwas ganz anderes – und das stellen Sie idealerweise möglichst bald fest –, werden Sie auch merken, dass es manchmal richtig ist, wenn man jemanden erst beim dritten Date küsst.