Darum gehts
- Ehe funktioniert besser, weil beide Partner auf dieselbe Art komisch sind
- Unterschiedliche Hintergründe, aber gemeinsame Leidenschaft für Kunst und Schreiben
- Beziehung entwickelte sich über Jahre von Freundschaft zu Verliebtheit und Liebe
Eine uralte Freundin, also eine, die mich seit meiner Kindheit kennt, erklärte neulich in einer ausgelassenen Runde, warum meine Ehe mit Victor besser funktioniert als meine früheren Beziehungen: Wir seien eben beide «the same kind of weird», auf dieselbe Art komisch. Dann relativierte sie schnell, sie meine das natürlich nur im besten Sinne. Ich winkte ab, ich war nicht beleidigt.
Ich dachte an all die Checklisten, die wir machten, schon als Jugendliche. Augenfarbe, Haarfarbe, Musikgeschmack. Körpergrösse, Lederjacke ja oder nein. Damals hoffte ich, die Aufmerksamkeit eines coolen und beliebten Jungen würde diese Eigenschaften auf mich übertragen. Dabei führte das nur dazu, dass mir mein Uncoolsein noch schmerzhafter bewusst wurde.
Später konzentrierten sich die Vernünftigeren unter uns auf gemeinsame Ziele und Pläne. Zu denen gehörte ich nicht – was niemanden erstaunen wird. «Ein Mann muss so und so viel im Jahr verdienen», hörte ich einmal eine Bekannte sagen und wich erschrocken von ihr zurück. Als hätte sie sich zu einem Verbrechen bekannt. Dabei ist sie vielleicht absolut glücklich geworden damit, ich weiss es nicht.
Diese Listen wurden irgendwann von Apps und Algorithmen organisiert, manchmal durchaus mit Erfolg. Aber Victor und mich hätte kein Programm der Welt zusammengebracht. Wir haben nichts gemeinsam. Wenigstens äusserlich nicht. Weder die Sprache noch die Herkunft noch die Kultur. Er war als Jugendlicher obdachlos, ich lebte in einem grossen Haus. Ich schmiss die Schule hin, er erkämpfte sich den Zutritt. Er musste sein Land verlassen, ich wollte es. Er schaut sich gern alte Vorlesungen auf dem Computer an oder Dokumentarfilme über den Einfluss von Karl dem Grossen auf die Entwicklung der Weltreligionen. Ich hingegen bin süchtig nach Fernsehserien, und nicht etwa der intellektuellen Sorte. Victor hört gern elektronische Musik und mittelalterliche Gesänge, ich mag französische Chansons aus den 60er-Jahren und Blondie. Er arbeitet am liebsten nachts, ich stehe früh auf.
«Was teilt ihr denn eigentlich?», fragte jemand, und bevor ich antworten konnte, hatte diese alte Freundin die Erklärung geliefert: Wir sind auf dieselbe Art «komisch». «Was meinst du eigentlich mit komisch?», frage ich dann doch noch nach. Ach, erklärte meine Freundin, nichts Schlimmes, einfach, dass ich kein normales Leben lebe, nicht plane, nicht absichere, keine Gewissheiten habe ausser der, dass ich schreiben muss. Und ja, da ist Victor absolut gleich: Seine Kunst verankert ihn auf dieselbe Art wie mein Schreiben mich. Wir erkannten uns auf den ersten Blick als Verwandte. Trotz allen Unterschieden. Und obwohl es Jahre dauern sollte, bis sich diese intuitive Verbundenheit von Freundschaft zu Verliebtheit zur Liebe wandelte, war sie von Anfang an da.
«Früher wolltest du einen coolen Jungen, damit du an seiner Seite auch cool wirkst», sagt meine strenge, klare Freundin. «Und dann wolltest du einen normalen Mann, mit dem du ein normales Leben leben kannst. Das konnte nicht funktionieren. Du brauchst einfach nur jemanden, der so ist wie du.» Auf dieselbe Art komisch. Sie hat recht. Und ich wünschte, ich hätte das früher gewusst. Aber das Leben verläuft nun mal so, wie es muss, es folgt einem inneren Muster. Und es wird kräftiger und zielgerichteter, je näher es dem Ende kommt, wie ein Fluss, der – erst zögerlich und schmal – sich hierhin und dorthin windet, bevor er seine Richtung findet: zum Meer.