Milena Moser über Osterbräuche
Wir stehen alle wieder auf

Wir nehmen jede Gelegenheit wahr, um ein Fest zu feiern. Aber Ostern ist uns eines der liebsten. Wiederauferstehung, ob in der Religion oder in der Natur, sie zeigt uns: Es ist ein Moment der Hoffnung. Jetzt.
Publiziert: 21.04.2025 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 19.04.2025 um 16:56 Uhr
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Milena Moser und ihr Partner Victor lieben die spielerischen Rituale an Ostern wie das Bemalen und Verstecken von Ostereiern, aber auch das Erfinden kreativer Figuren wie den «Westernhasen».

Darum gehts

  • Ostern wird mit spielerischen Ritualen gefeiert, trotz möglicher Eierknappheit
  • Victor erfindet kreative Kreaturen wie den Westernhasen und das Rücksitz-Eichhörnchen
  • Eine Frau verfolgt Victor im Supermarkt wegen eines Kartons Eier
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Milena MoserSchriftstellerin

Dieses Jahr hat Victor die Einladung für die Party am Sonntag erst am Mittwoch verschickt, also am Tag nach meiner Rückkehr aus der Schweiz. Weil er sicher sein wollte, dass ich dann auch wirklich da sein würde. Er ist ein wenig abergläubisch. Ich bin es auch.

Unser Umfeld schert sich zum Glück nicht um die späte Nachricht und tritt vollzählig zum Westernhasenfest an – der Westernhase ist gemäss Victor «das schwarze Schaf in der Familie der Osterhasen». Er gehört zu einem ganzen Zoo von sogenannten «Kreaturen», die er sich ausdenkt und die unseren Alltag begleiten und erheitern. Da gibt es zum Beispiel das Rücksitz-Eichhörnchen, das ahnungslosen Beifahrern auf den Kopf springt und die Frisur zerstört, es gibt die Marsspinne, die mir nachts über den Arm krabbelt, den rastlosen Sahara-Biber, der nichts zu nagen unter die Zähne kriegt, und den rassistischen Flamingo, der extra an den Südpol gezogen ist, nur um festzustellen, dass die Pinguine gar nicht weiss sind.

Kindisch? Ja, wir sind kindisch. Und gerade deshalb lieben wir Ostern auch so sehr. Kein anderer Feiertag ist mit so schönen und spielerischen Ritualen verbunden. Wir amüsieren uns endlos mit dem Bemalen, dem Verstecken und dem (erstaunlich erfolglosen) Suchen und Wiederfinden von hart gekochten Eiern. Das hätte dieses Jahr ja eher schwierig werden können. Über die Eierknappheit in den Vereinigten Staaten wird viel berichtet und auch viel gespöttelt. Sie ist allerdings, wenigstens hier in San Francisco, nicht ganz so schlimm, wie es die Medien vermuten lassen.

Doch diese Berichterstattung führt natürlich zu Hamsterkäufen. So gab es in den Tagen vor den angedrohten Strafzöllen plötzlich keinen Tequila mehr zu kaufen und auch sonst keine mexikanischen Produkte. Victor weinte fast vor Glück, als er an einem Stand am Strassenrand frische Kürbiskerne entdeckte, die er für seine Mole Verde braucht. Die gehört nämlich auch zu unserem Osterfest. Genauso wie der Hefezopf, der mir hier nie gelingen will, obwohl ich ihn in der Schweiz immer problemlos hinkriegte.

Ich schiebe das jährliche Scheitern auf die hiesige Hefequalität, auf das Klima, einfach nicht auf mich. Zurück zur Eierknappheit: Ein paar Tage vor meiner Rückkehr wurde Victor von einer randalierenden Frau durch den Supermarkt verfolgt. «Haltet den Dieb!», schrie sie. «Haltet ihn auf! Er klaut die ganzen Eier!» Einen Karton hatte Victor unter dem Arm, nicht einmal den letzten im Laden, und bezahlt war er selbstverständlich auch. Doch als er stehen blieb und den Kassenzettel suchte, winkte der Sicherheitsbeamte am Eingang ab. «Kümmern Sie sich nicht um die.» Er zeigte mit dem Kinn auf die zeternde Frau. «Die kommt jeden Tag hier an und beschuldigt Leute!»

Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen. «Dann hätte sie sich das nicht getraut», sagt Victor. Immerhin, wir haben Eier. Wir haben Farben. Freunde. Kürbiskerne. Wir feiern den Frühlingsbeginn und die Resilienz. Unsere, und die der Natur. Frühling heisst Hoffnung, heisst Wiederbeginn, heisst, alles ist wieder möglich. Der gefrorene Boden taut auf, die ersten Blümlein spriessen, wir sehen wieder grün und rosa und gelb und bunt statt immer nur grau. Vögel trillern, singen, pfeifen. Jedes Jahr dasselbe Wunder, dieselbe Überraschung: Der endlos scheinende Winter ist vorbei! Die Tage werden wieder länger und heller und wärmer. Das kann man durchaus auch symbolisch verstehen. Auf jeden Fall muss es gefeiert werden.

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