Ich bin gerade für einen Sprachaufenthalt in Bordeaux. Ein Semester voll von französischem Wein, französischer Küche und französischem Charme. Wobei ich von letzterem gar nicht so viel mitkriege. Denn: Ich verbringe kaum Zeit mit Franzosen!
Die bittere Wahrheit: Im Sprachaufenthalt verbringt man die meiste Zeit mit den anderen Austauschstudierenden. Und mit denen redet man dann nicht einmal Französisch! Sondern weils für alle viel einfacher ist: Englisch – oder Deutsch (wow, gibt es viel deutsche Austauschstudis!).
Das schiesst zwar total am Ziel des Aufenthalts vorbei, aber unspannend ist es nicht. Man lernt kaum etwas über die französische Kultur, dafür ganz viel zu anderen Ländern und Sitten. Ein Isländer, der auf einer Farm aufgewachsen ist, erzählt von seiner Schafherde und eine Mexikanerin von ihrem Leben in einer Millionenstadt – beide haben einen Schulweg von zwei Stunden.
Und weil wir alle Teil der Gen Z sind, versuchten wir uns natürlich auch bald über alle möglichen Kommunikationskanäle zu vernetzen. Es stellt sich heraus: Die einen kennen Whatsapp nicht, andere benutzen noch immer Facebook und in Norwegen ist Instagram out. Der einzige gemeinsame Nenner aller Nationen war schliesslich Snapchat. Also genau die App, die so oft belächelt, verhunzt oder als Sexting-App abgestempelt wird, scheint international die weiteste Verbreitung zu geniessen.
Ich will daher eine Lanze brechen für Snapchat. Auf der App kann man sich Fotos von willkürlichen Situationen schicken, sie mit einem Text versehen und an alle seine Freunde schicken. Haben diese die Nachricht einmal angeschaut, verschwindet sie für immer.
Genau diese Unverbindlichkeit ist es wahrscheinlich, die meine Generation seit nun zehn Jahren «snappen» lässt. Man führt keine wichtigen Konversationen über die App, sondern teilt kleine Ausschnitte des Lebens mit engen Freundinnen, ohne dabei ein Büro aufzumachen.
Man könnte gar sagen, dass Snapchat den Grundstein legte für gewisse Eigenschaften der Gen Z. Dank Snapchat haben wir eine unglaublich schnelle Aufnahmefähigkeit – die versendeten Bilder mussten wir in wenigen Sekunden entschlüsseln, bevor sie sich selbst löschten. Dieser Schnelllebigkeit haben wir zudem ein perfekt trainiertes Kurzzeit- und ein miserables Langzeitgedächtnis zu verdanken. Und last but not least war es diese App, die unsere Affinität zu visuellen Inhalten entfacht hat. Durch Snapchat lernten wir: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und das gilt für jede Sprache.
Noa Dibbasey (22) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.