Fix zur Gesellschaft
Kennen Sie Heidschnucken?

Auf dem Land trifft man auf Schafherden und begrüsst jeden, dem man begegnet, mit einem «Hoi»: Was für eine Idylle! Aber die trügt. Auch im Dorf ist die Welt nicht heil.
Publiziert: 29.02.2020 um 12:32 Uhr
Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
Foto: Thomas Meier
Alexandra Fitz

«Gehst du jetzt zu den Schafen?», fragt er mich.

«Ja, da muss ich hin. Hast du schon mal so schöne Schafe gesehen?»

Die Antwort höre ich nicht mehr, ich bin bereits unterwegs Richtung Zaun. Zäune haben eine immense Anziehungskraft auf mich. Ich habe keinen Zaunfetisch. Es geht mir natürlich um das Umzäunte. Das Vieh. Hierzulande meist Huftiere. Pferde, Esel, Kühe, Schafe, Ziegen, Hühner. Okay, Hühner haben Krallen und keine Hufe, aber sie leben trotzdem hinterm Zaun. Okay, Hühner laufen auch oft frei herum. Okay, darum gehts gar nicht.

Ich mag Tiere. Ich schaue sie gerne an, ich streichle sie gerne, und ich rede gerne mit ihnen. Geben sie dann das Fressen oder Rumstehen auf und bewegen sich in meine Richtung, strecken auch noch neugierig ihren Kopf zu mir, macht mir das grosse Freude.

Diese Schafe aber bleiben wie angewurzelt stehen. Dafür kann ich sie in Ruhe beobachten. Ihr Fell ist so besonders. Es ist grau. Die Haare nicht gelockt, sondern gerade. Und lang. Ihre dunklen Beine wirken so schmal, weil ihr Fell wie ein übergeworfener Oversize-Mantel aussieht. Sie sind wahrlich wunderschön.

Jedes einzelne trägt ein Glöckchen um den Hals. Die ganze Wiese bimmelt. Wir spazieren weiter und rätseln: Warum haben Schafe eine Glocke um den Hals? Später werde ich beim Schweizerischen Schafzuchtverband nach dem Grund fragen, und man wird mir antworten: «Grundsätzlich tragen Tiere auf der Weide eine Glocke, damit der Besitzer die Tiere akustisch orten kann (falls sie ausbüxen).» Warum in dieser Herde alle Schafe Glocken tragen, solle ich am besten den Besitzer fragen, heisst es noch.

Den könnte man schnell ausfindig machen, ist ja Dorf. Im Dorf kennt man sich, grüsst sich auch brav. Als ich beim Spaziergang einem älteren Herrn auf dem Velo «Grüezi» sage, meint meine Begleitung: «Do set ma Hoi!» Ich lebe schon zu lange nicht mehr im Ländle, sodass ich Mühe habe, einem älteren, mir fremden Menschen eine solch saloppe Grussformel zu entgegnen. Doch in Liechtenstein grüsst man quasi den Fürsten mit einem «Hoi».

Später auf einem Familiengeburtstag schwärme ich von den Schafen. Das sind Heidschnucken, weiss ein Gast. Heidschnucken? Googeln Sie die mal! Sie sind nicht nur herzig, es heisst, sie seien auch eine «höchst genügsame Schafrasse».

Genügsam ist es auch auf dem Dorf, zwischen Schafen und Bewohnern, die sich duzen. Diese ländliche Idylle. Dieses Hier-ist-die-Welt-noch-in-Ordnung-Gefühl.

Halt! Hatte ich vom Dorfpfarrer erzählt, der überraschend sein Amt niederlegte? Es besteht der konkrete Verdacht, dass der Mann Gottes auf Kinderpornografie im Internet zugegriffen hat.

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