Kolumne «Alles wird gut»
Der Glaube an den Glauben

Glaube ist nicht Wissen. Darin liegt seine Kraft.
Publiziert: 20.11.2023 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2023 um 09:50 Uhr
Der Regenbogen ist ein Symbol für Hoffnung und Glaube.
Foto: imago/Manngold
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Hier fiel viel Regen, aber andernorts fallen Bomben. Umweltkatastrophen neben Kriegen, Flucht, Tod. Woher die Nachrichten auch kommen, wohin man auch schaut: Überall wächst die Verzweiflung.

Wie hält man das aus? Sehen Sie noch ein Gutes, das das fast allgegenwärtige Böse aufheben könnte? Oder anders gefragt: Glauben Sie an Gott? Oder – falls Ihnen dieser Name Mühe bereitet – an eine höhere Kraft, die im Grossen und Ganzen zum Rechten schaut?

Der US-amerikanische Psychologe Paul Rozin bot Menschen, die sich selber als vernünftig einschätzten, Süssigkeiten an, die aussahen wie Hundescheisse. Er servierte ihnen auch Suppe in Bettpfannen. Die Süssigkeiten waren süss, die Bettpfannen brandneu und absolut sauber, davon konnten sich die Versuchsteilnehmer überzeugen. Es half nichts. Sie schleckten und assen eindeutig lieber, wenn das Dargebotene nicht daran erinnerte, dass es endet wie alles, was wir zu uns nehmen: als Ausscheidung.

In diesem Experiment war der Schein wirkungsmächtiger als das Sein. Der Glaube überflügelte das Wissen. Die Vorstellungskraft triumphierte über die Realität.

Viele Dinge gibt es nur, weil wir an sie glauben: Geld, Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit – all dies existiert nicht unabhängig von uns, sondern nur, solange wir daran glauben, dafür kämpfen und uns entsprechend verhalten. Es gibt also gute Gründe, an den Glauben zu glauben.

Und an Gott? Natürlich gibt es den allmächtigen, allwissenden, allgütigen Gott des Christentums, sagt Philosoph Markus Gabriel. Als Fiktion nämlich, als eine Figur aus der Bibel, dem grössten Bestseller aller Zeiten. Als solche habe er eine hohe Wirkungsmacht. Was natürlich im Umkehrschluss nicht heissen müsse, so der deutsche Philosoph, dass Gott unabhängig von der Fiktion nicht existiere.

An Gott – oder eine höhere Kraft – kann man nur glauben. Das unterscheidet den Glauben vom Aberglauben: Der Abergläubige glaubt zu wissen, der Gläubige weiss, dass er glaubt. Zu glauben heisst nicht, über eine gesicherte Information zu verfügen, es ist eher eine suchende Tätigkeit. Und als solche gibt sie einigen Menschen die Energie, die sie brauchen, um diese uns alle umgebende gottlose Wirklichkeit aus Fakten, Tatsachen und Nachrichten auszuhalten. Alles wird gut. 

Ursula von Arx glaubt an dunklen Tagen, dass der Glaube mehr Macht über die Menschen
haben könnte als die Vernunft. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im «Blick». 

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