In mächtigen Lettern und mit knirschender Kreide schreiben die Schulmeister des Weltgewissens ihre Wandtafeln voll. Für den Zürcher «Tages-Anzeiger» zum Beispiel ist die Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani «Trumps Kriegserklärung».
Herrschte im Machtbereich der Mullah-Diktatur jemals Frieden?
Soleimani galt als zweiter Mann in Teheran, als mächtigster gar, führte er doch den Terrorkrieg für den Gottesstaat vom Irak über Syrien und den Jemen bis nach Libyen. Wo immer dort gebombt und gemordet wurde, steckte der finstere Stratege dahinter.
Ebenfalls im «Tages-Anzeiger» war zu lesen: «Donald Trump handelt ohne jedes Augenmass.» Als Augenmass gilt die Wahrung eines moralischen Abstands zum Iran und den USA: der Bösewicht Trump auf der einen, die Bösewichte des Ayatollah-Regimes auf der anderen Seite – beide Lager gleich weit entfernt von vernünftiger Politik. Aus dieser Perspektive einer fiktiven Mitte wird jetzt Vernunft angemahnt.
Vernunft ist ein vertrauter Begriff. Er zählt zur Denkkultur der Aufklärung.
Die «Neue Zürcher Zeitung» zeigte Qassem Soleimani bei einer religiösen Zeremonie, in sich versunken, die Handflächen hingebungsvoll geöffnet zum Empfang göttlicher Gebote.
Genau das ist das Problem: Glaube geht für die islamischen Machthaber vor Vernunft. Vernunft gilt nur, solange sie der Macht dient. Kommt sie ihrer Macht in die Quere, ist jedes andere Mittel erlaubt, zumal die Täuschung der Ungläubigen.
Und genau das ist der Unterschied zu den Erfahrungen der westlichen Welt aus den Zeiten des Kalten Krieges: Mit der Sowjetunion sprach man damals die gleiche Sprache, bei allen ideologischen Divergenzen. Das Politbüro im Kreml war auf der Ebene der Vernunft erreichbar wie auch heute noch die Kapitalisten-Kommunisten in Peking. Im Umgang mit den Mullahs jedoch ist das Vertrauen auf eine gemeinsame Vernunft gefährliche Selbsttäuschung.
Die iranischen Religionsführer praktizieren einen Islam, der nicht anders zu bezeichnen ist denn als Geissel der Welt. Ayatollah Chamenei beschwor in seiner Racherede wider die amerikanischen Imperialisten den «finalen Sieg des Islam» – das verheissene Ziel nicht nur der Schiiten.
Der Gottesstaat wird von Schurken geführt und drangsaliert, denen Vertrauen entgegenzubringen ein waghalsiges Unterfangen bleibt. Bisher bedeutete dies, hochaktive Verbrecher wie Qassem Soleimani trotz allem in eine Kultur der Vernunft einbinden zu wollen. Donald Trump hat diesem Aberwitz ein Ende gesetzt und sich den Gegebenheiten angepasst – à la guerre comme à la guerre.
Für die moralischen Schulmeister in den Redaktionsstuben der freien Welt ist Trump längst ein Schimpfwort. Für die Gewalttäter im Namen des Glaubens bedeutet er klare Sprache.
Eine Sprache, die sie verstehen.