Thomas Meyer rät
«Sie haben wohl ein Problem mit Nähe»

«Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass man mit den verrücktesten Frauen den besten Sex hat. Wieso ist das so?», schreibt unser Leser. Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer nimmt Stellung zu dieser Lebensfrage.
Publiziert: 27.09.2018 um 18:54 Uhr
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Aktualisiert: 27.09.2018 um 18:56 Uhr
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Gerade im Feld der Sexualität liegen Licht und Schatten sehr nah beieinander.

Gerade im Feld der Sexualität liegen Licht und Schatten sehr nah beieinander, und dass die Erotik solche Funken sprüht, liegt oft nur an einem emotionalen Kurzschluss. Häufig findet Sex nur statt, weil die Gefühle eines schwachen Selbstwerts nicht mehr auszuhalten gewesen sind. Dann wird die Sexualität nicht gelebt, sondern missbraucht, und das geschieht aus logischen Gründen nicht subtil, sondern aggressiv. Schliesslich soll es seine Wirkung nicht verfehlen.

Man kann solchen übersteigerten, unnatürlich forcierten Sex durchaus als «gut» erleben und bezeichnen. Und als Mann schätzt man es ohnehin, wenn es zügig zur Sache geht. Aber man wird über kurz oder lang entdecken, dass man mit der ganzen Person ins Bett gegangen ist; nicht nur mit ihrem Körper, sondern auch mit ihren Nöten. Man entdeckt dann vielleicht, dass sie «verrückt» ist. Aber das ist weder nett noch exakt. Passender wären «selbstunsicher», «hilflos» oder «traumatisiert». Oder andere Begriffe, die nicht werten, sondern mitfühlen.

«Verrückte» Frauen brauchen andere Zuwendung als sexuelle

Wer einen Zusammenhang herstellt zwischen dem, was er guten Sex nennt, und Frauen, die er verrückt nennt, sagt damit auch eine Menge über sich selbst. Beispielsweise, dass er nicht in der Lage ist, intim zu sein mit Frauen, die stabil und stark sind. Dass er generell ein Problem hat mit Nähe und ausserdem ein ziemlich verqueres Frauenbild. Dass er womöglich ebenfalls total unsicher ist und das kompensiert, indem er sich als unwiderstehlicher Übercharmeur positionieren muss; gegenüber Frauen und vor anderen Männern.

«Verrückte» Frauen brauchen andere Zuwendung als sexuelle. Auch wenn sie gern genau damit locken, tut man ihnen keinen Gefallen, darauf einzusteigen. Und sich selbst auch nicht. Der Sex ist vielleicht geil – aber der Preis nicht, den beide dafür bezahlen.

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