Thomas Meyer rät
«Man spricht nicht umsonst vom Netz der Lügen»

«Ich lüge wie gedruckt. Ständig gebe ich ein tolles Leben vor, das ich gar nicht habe, voller Frauen und Erfolg. Alle merken es, aber ich kann nicht anders», schreibt unser Leser. Thomas Meyer nimmt Stellung zu dieser Lebensfrage.
Publiziert: 04.12.2018 um 21:06 Uhr
Auch wenn nicht jedem eine lange Nase wächst: Lügen kann man am Gesicht ablesen.
Foto: Thinkstock
Thomas Meyer

Wir alle haben die Neigung, unser Leben etwas strahlender darzustellen, als es ist. Vor allem, wenn es in keiner Weise glänzt. Beruflicher Misserfolg, Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme, Beziehungsschwierigkeiten oder Einsamkeit sind Dinge, auf die niemand stolz ist, und es ist nur verständlich, wenn sie beschönigt oder schlicht geleugnet werden. Sie zu erdulden, ist schon anstrengend genug – man braucht nicht auch noch den Schmerz der Scham.

Warum es gefährlich ist

Sie gehen aber noch weiter: Sie verhüllen Ihre Probleme nicht, sondern verkehren sie in ihr Gegenteil und erzählen von aufregenden Liebschaften, die es nicht gibt. Das ist ein gefährliches Spiel – auf der einen Seite wirken Sie so einen Moment lang wie ein toller Hengst, auf der anderen verpflichten Sie sich aber, von nun an im Dienst dieser und aller weiteren Unwahrheiten zu stehen. Sie werden immer noch mehr lügen müssen, damit Sie nicht auffliegen: Will jemand ein Foto Ihrer neuen Bekanntschaft sehen, müssen Sie hastig eines aus dem Netz laden. Will sie jemand persönlich kennen-lernen, müssen Sie eine Ausrede erfinden. Man spricht nicht umsonst vom Netz der Lügen, in das man sich immer tiefer verstrickt. Ein Zurück ist in der Tat nur noch schwer vorstellbar – sollen Sie sich etwa vor Ihre Bekannten hinstellen und gestehen, nur geflunkert zu haben? Kein Frauenheld zu sein, sondern chronischer Single?

Seien Sie endlich ehrlich

Ja, das ist exakt, was Sie tun sollten. Sie sollten das Gebäude Ihrer Lügen komplett einreissen. Sie sollten sich all die Blösse geben, die Sie so fanatisch zu vermeiden versuchen. Treffen Sie zwei, drei Leute aus Ihrem Umfeld, denen Sie trotz allem vertrauen, und weihen Sie sie ein – wie Sie ja sagen, werden Sie damit niemanden überraschen. Aber Sie werden feststellen, dass Ehrlichkeit die tiefere Beziehung erzeugt als Ihre Show.

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