Thomas Meyer rät
Das Kopftuch ist nicht nur Frage der Integration

«Wir sind Muslime. Meine Frau trägt Kopftuch und ist auf Arbeitssuche – ohne Erfolg. Man sagt ihr, sie müsse sich eben anpassen», schreibt unser Leser. Thomas Meyer nimmt Stellung zu dieser Lebensfrage.
Publiziert: 06.04.2018 um 13:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:05 Uhr
Türkische Studentinnen demonstrieren für Kopftuch (Symbolbild)
Foto: Keystone

Mit der Integration ist das so eine Sache. Auch frommen Juden wird gern vorgehalten, dass sie sich nicht integrieren. Aber ist das wirklich, was die Leute wollen? Perfekt integrierte Muslime und Juden, die sich im Supermarkt mit ihnen unterhalten, ihre Restaurants und Bars besuchen, Mitglieder in ihren Vereinen werden, ihre Trams und Busse chauffieren, sie ärztlich untersuchen und Parkbussen verteilen?

Warum klappt es mit der Integration nicht?

Der Vorwurf der mangelnden Integration mag begründet sein, aber er dient vor allem dazu, einen von der Aufgabe zu entbinden, sich selbst anderen Kulturen nähern zu müssen. Dafür sind wir Schweizer uns tendenziell zu fein. Annäherung ja, aber durch die anderen. Wir sind ja bereits perfekt. Mit dieser Haltung schauen wir gerne auf alle herab, die von anderswo kommen, und halten allein dies für einen schweren Charakterfehler. Dass Ihre Frau mit Kopftuch keinen Job findet, ist darum ein Lied, das auch all jene singen können, die mit einem auf «-ic» endenden Nachnamen Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche haben. Wir sind leider ziemlich rassistisch.

Möchte Ihre Frau das Kopftuch ablegen?

Auf der anderen Seite sind wir trotz allem auch ziemlich liberal. Zwar sind wir noch weit von einer echten Gleichstellung der Geschlechter entfernt, aber es kommt uns nicht in den Sinn, Frauen dazu anzuhalten, sich züchtig zu verhüllen. Die meisten muslimischen Frauen tragen Kopftücher und andere Verschleierungen vermutlich nicht, weil sie das von sich aus wollen, sondern weil sie in Strukturen aufgewachsen sind, in denen Männer bestimmen, wie Frauen zu leben haben.

Es wäre daher interessant zu erfahren, ob es Ihrer Frau nicht vielleicht ganz recht wäre, das Kopftuch abzulegen und sich in ihrer ganzen Persönlichkeit zeigen zu dürfen. Diese Frage wird in dieser Diskussion völlig übersehen.

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