Mit SRK-Botschafter Max Hubacher im grössten Flüchtlingslager der Welt
Aus dem Müll keimt Hoffnung

Im grössten Flüchtlings­lager der Welt leben über eine Million Geflüchtete aus Myanmar. Das Schweizerische Rote Kreuz lancierte dort ein Recyclingprojekt. Ein Lichtblick für die Menschen, wie SRK-Botschafter Max Hubacher in Bangladesch feststellt.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2025 um 16:39 Uhr
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Ruth Brüderlin
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Es stinkt. Nach Müll, nach Exkrementen, nach den Ausdünstungen von zu vielen Menschen auf zu engem Raum. Die Abwasserkanäle sind verstopft, Abfall säumt den Weg.

Über 1,1 Millionen Rohingya leben im grössten Flüchtlingslager der Welt in Cox’s Bazar, im südöstlichen Zipfel von Bangladesch. Es ist ein Meer von Bambushütten und Plastikplanen auf einer Fläche von 13 Quadratkilometern. Nur in einem Abschnitt ist alles anders. In Camp 15 initiierte das Schweizerische Rote Kreuz 2019 ein Recyclingprojekt.

Dieses innovative Konzept schaut sich der Berner Schauspieler Max Hubacher (31) bei seinem Besuch ganz genau an. Hubacher ist der neue Botschafter des SRK und dies sein erster Einsatz: «Ich staune, wie strukturiert und gut organisiert das Ganze ist», sagt er und verfolgt im Recyclingcenter aufmerksam, wie ein halbes Dutzend Männer von Hand Plastik, Metall und Glas sortieren und die Grünabfälle sorgfältig herausfischen.

Daraus entsteht in einem mehrstufigen Prozess wertvoller Dünger. Dieser wird gratis an Flüchtlinge im Camp und an ansässige Bäuerinnen und Bauern in der Nachbarschaft abgegeben. Der Rest wird verkauft, das refinanziert das Projekt ein Stück.

Geflüchtete Rohingya sortieren Abfall: Eine sinnvolle Beschäftigung für sie und ein Beitrag zur Verbesserung der Hygiene im Camp.
Foto: SRK, Remo Nägeli

Acht Stunden täglich gehen die Abfallsammler von Hütte zu Hütte und bringen das Sammelgut mit Lastvelos zum Recyclingcenter. Einer von ihnen ist Faisal Nur, 28. Rund 60 Franken pro Monat verdient er mit dieser Arbeit, den Respekt der Nachbarschaft gibts obendrauf. Ein unappetitlicher Job? Der junge Mann lacht. «Nach einer Weile nimmt man den Geruch gar nicht mehr wahr. Ich bin dankbar, dass ich überhaupt Arbeit habe. Mir und meiner Familie geht es dadurch besser als den meisten.»

Mit dem Verdienst kann Faisal Nur jetzt zusätzlich Gemüse und Medikamente für seine Familie kaufen. Lediglich zehn Franken pro Person und Monat beträgt die UN-Nothilfe. «Das», sagt Faisal Nur, «reicht für etwas Reis mit Chili oder Bohnensuppe, das ist zu wenig, vor allem für die Kinder.» Er wohnt mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern in der Hütte seines Vaters Osman Goni, 58.

Dieser musste 2017 mit seiner Familie aus Myanmar flüchten. Jetzt ist er stolz auf die Arbeit seines Sohnes. «Seit es hier sauber ist, sind wir alle seltener krank», sagt der Vater. «Es hat viel weniger Fliegen und Mücken – und es kriechen keine Würmer mehr aus den Abwasserrinnen in die Hütten.»

Max Hubacher im Gespräch mit Afroza Akter, einer Mitarbeiterin vom bangladeschischen Roten Halbmond.
Foto: SRK, Remo Nägeli

Immer noch neue Geflüchtete

Die Militärregierung in Myanmar vertreibt die Rohingya seit mehr als 50 Jahren in Wellen. Während einer der grössten im August 2017 wateten über 700 000 Menschen in tagelangen Fussmärschen durch den Monsun nach Cox’s Bazar. Die Bilder gingen um die Welt.

Das Lager ist eingezäunt, Checkpoints kontrollieren die Ausgänge. Kinder dürfen nicht in die Schule, Erwachsene nicht auf Arbeitssuche. Die geflüchteten Menschen sollen sich nicht dauerhaft niederlassen. Zurück nach Myanmar können sie auch nicht – das Regime hat die Dörfer plattgewalzt und die Wälder gerodet.

Die neueste Welle der Gewalt treibt über 100'000 Neuankömmlinge ins überfüllte Lager. Die Behörden von Bangladesch registrieren sie längst nicht mehr. Es würde sie zu Hilfe verpflichten, die sich das Land schlicht nicht leisten kann.

Mohammad Harun, seine schwangere Frau Jasmin Akter und Söhnchen Mohammad Raihan wünschen sich einfach nur ein würdevolles Leben.
Foto: SRK, Remo Nägeli

«Ich frage mich, wie schlimm die Situation der Rohingya in ihrer Heimat sein muss, dass sie an einem Ort wie diesem leben», sagt Max Hubacher nachdenklich. «Niemand, mit dem wir sprachen, wollte zurück.» Er sei, sagt er, tief berührt von der Offenheit und Freundlichkeit, die sich diese Menschen bewahrt hätten – und überwältigt vom Einsatz der vielen Freiwilligen des Roten Halbmondes, Bangladescher und Rohingya, die an ihren roten Westen zu erkennen sind und hauptsächlich in den vom SRK unterstützten Gesundheitszentren arbeiten. Dort gibt es Spezialisten und Spezialistinnen für allgemeine Medizin, Augenheilkunde und Geburtshilfe. 

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Das Schweizerische Rote Kreuz ist in rund 30 Ländern für die Verletzlichsten im Einsatz und leistet dort Nothilfe, beugt Katastrophen vor und stärkt die Gesundheit der Menschen.

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Es ist staubig, klebrig-feucht, und die Temperatur beträgt 35 Grad im Schatten. Dennoch stehen vor einem der Gesundheitszentren tief verschleierte Frauen geduldig Schlange. Etliche halten ein Baby in den Armen. Alte Männer mit krummen Beinen stützen sich auf krumme Stöcke. Manchmal fährt eine Ambulanz mit Blaulicht vor. Eine Wolldecke, an Bambusstangen geknüpft, dient als Trage. Eine weitere Decke schützt vor Blicken.

Geburten und grauer Star

Am häufigsten sind Infektionskrankheiten oder Durchfall, verursacht durch verschmutztes Wasser. Die Behandlungen sind für die Patientinnen und Patienten gratis. Aber sie verursachen Kosten, eine Geburt etwa 75 Franken, eine Operation von grauem Star 50 Franken pro Auge.

Nur Safa, 62, bei der Nachkontrolle im vom SRK unterstützten Gesundheitszentrum. Nach der Operation ihres grauen Stars kann sie wieder sehen.
Foto: SRK, Remo Nägeli

Finanziert wird das mit Spenden des SRK und der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Freiwillige Helferinnen und Helfer des Bangladeschischen Roten Halbmonds, vor allem Frauen, gehen in die Hütten und klären auf, über Familienplanung etwa und warum eine Geburt im Gesundheitszentrum sicherer ist als in der Hütte. Oder weshalb es sinnvoll ist, zwei Jahre bis zum nächsten Kind zu warten.

Action mit dem SRK-Botschafter

Draussen ertönt plötzlich Geschrei und Gejohle. Max Hubacher spielt mit ein paar begeisterten Buben Fussball im Hof vor dem Gesundheitszentrum. Endlich Action! Max Hubacher ist als SRK-Botschafter ein Glückstreffer, ein Entertainer ohne Berührungsängste, der schon nach wenigen Tagen alle mit seinen neuen Sprachkenntnissen entzückt: «Shubho shokal», guten Morgen, grüsst er fröhlich. «Ich liebe Sprachen», sagt er.

Der neunjährige Rohingya-Bub ist mit 117 Zentimeter und 18 Kilogramm deutlich zu klein und zu leicht für sein Alter.
Foto: SRK, Remo Nägeli

Das ungewisse Schicksal der Rohingya, ihre Zukunft ohne Perspektive bedrücken Max Hubacher: «Es ist wichtig, auf die Menschen hier aufmerksam zu machen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.» Viele Geberstaaten kürzen ihre Hilfe, der wichtigste, die USA, um schmerzhafte 54 Prozent. Es reicht noch knapp für Grundbedürfnisse wie Essen, Wasser und medizinische Minimalversorgung. Eine Augenoperation oder Abfallentsorgung sind schon Luxus.

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