Darum gehts
- Urban Dörig betreibt biologische Landwirtschaft auf der Domäne St. Katharinental
- Nützlinge wie Marienkäfer werden zur natürlichen Schädlingsbekämpfung eingesetzt
- Der Biohof umfasst 80 Hektar Ackerfläche mit vielfältigen Kulturen
«Wenn Sie hier durchgehen, bekommen Sie nasse Füsse», sagt Urban Dörig beim Besuch der Journalistin an diesem Sommervormittag. Dabei zeigt er auf eines seiner Felder, das dicht mit Luzernen bewachsen und vom Morgentau noch feucht ist. Die Hülsenfruchtgewächse führen dem Boden nach dem Anbau von Hafer wieder Stickstoff zu. «Nicht nur die Kühe auf der Wiese, sondern auch der Boden muss gefüttert werden», so der Biobauer.
Gleich zu Beginn des Besuchs auf dem Biohof «Domäne St. Katharinental» unterhalb von Diessenhofen TG direkt am Rhein wird klar: Hier ist jemand mit viel Leidenschaft am Werk. Begeistert erzählt der 51-Jährige, welche Auswirkung es hat, wenn er im Frühling und Herbst seine Angusrinder auf einem Teil des Ackers weiden lässt.
Keine Pestizide, kein Kunstdünger
Im Herbst stehen die Pflanzen der vielfältigen Gründüngung bis zu zwei Meter hoch auf dem Acker: darunter Pflanzen wie Bohnen, Erbsen, Lupinen, Wicken, Klee, Ringel- und Sonnenblumen. «Die Kühe fressen einen Teil der Pflanzen, den anderen stampfen sie in die Erde und führen ihr auf diese Weise wichtige Nährstoffe zu.»
Gleichzeitig wird die Erde durch die Ausscheidungen der Kühe gedüngt. Auf Kunstdünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet der Biobauer. Als Dünger verwendet er stattdessen neben der Gründüngung hauptsächlich Kompost und etwas Gülle.
Einheimisches Kraftfutter
«Wenn die Kühe auf dem Feld sind, kann der Traktor in der Scheune bleiben. Mit ihren vier Mägen für die Umwandlung von ‹Grün› sind die Kühe und ihre Kälber die wichtigsten Werkzeuge auf unserem Betrieb», sagt Urban Dörig. Weitere Vorteile: Er spart Energie und Arbeit mit der Maschine und kann als Bonus das wertvolle Fleisch der Kühe nutzen. Einen Teil der eiweisshaltigen Luzernen fressen im Winter seine eigenen Kühe, den grössten Teil verkauft er an andere Biobetriebe als einheimisches Kraftfutter.
«Schauen wir nur darauf, in kurzer Zeit so viel wie möglich zu produzieren, dann gehen viele Nebeneffekte der Natur verloren», bedauert Urban Dörig. Er ist kein Biobauer der ersten Stunde: Als er mit seiner Ehefrau Nadine Dörig-Bourquin 2010 die «Domäne St. Katharinental» übernahm, war sie noch ein konventioneller Ackerbaubetrieb. Das Paar pachtet das Land, das einst zum Kloster St. Katharinental gehörte, vom Kanton Thurgau.
Die Ackerfläche aufgewertet
Seine Sicht auf die Dinge und seine Art des Bauerns begann Urban Dörig erst 2016 zu hinterfragen. Ein Bodenkurs über die regenerative Landwirtschaft motivierte ihn, auf Kreisläufe und funktionelle Biodiversität zu setzen. Heute baut Urban Dörig noch immer Weizen, Hafer, Zuckerrüben, Kartoffeln, Rüebli, Mais, Sonnenblumen, Chicorée und Kürbisse an. Aber er hat die 80 Hektar Ackerfläche schrittweise aufgewertet.
Zwischen den Ackerflächen legte er in regelmässigen Abständen Säume und Brachen an, pflanzte Heckengruppen und setzte Ast- und Steinhaufen. Diese Brachen und Biodiversitätsstreifen sind heute Lebensräume für Nützlinge wie etwa Marienkäfer, die ein Gleichgewicht zu schädlichen Insekten in den Kulturen schaffen. Sie sind auch Rückzugsflächen für Schmetterlinge, Heuschrecken und Brutvögel wie etwa die seltenen Schafstelzen oder Feldlerchen.
Mit Marienkäfern Läuse bekämpfen
Vor drei Jahren stellte Urban Dörig ganz auf biologische Landwirtschaft um. Das heisst, er arbeitet seither möglichst mit den Kreisläufen der Natur. Auf die Haferfelder pflanzen Urban Dörig und seine zwei Mitarbeiter Klee als Untersaat. Dies hält den Boden feuchter und liefert ihm Stickstoff. Zudem nehmen die Pflanzen Kohlendioxid (CO₂) aus der Luft auf. Daraus lassen sie mit dem Sonnenlicht und Wasser via Photosynthese Sauerstoff und Energie in Form von Zucker entstehen, das die Pflanzen nährt.
Um die Erdflöhe und Läuse auf den Zuckerrüben zu bekämpfen, pflanzte Urban Dörig direkt daneben Hafer und Ackerbohnen, auf denen unter anderem Marienkäfer leben. Diese Nützlinge wandern auf das Zuckerrübenfeld und wirken als biologische Schädlingsbekämpfer. Letztes Jahr ist das Ehepaar Dörig mit dem Jubiläumspreis der «BauernZeitung» in der Kategorie Nachhaltigkeit ausgezeichnet worden.
Seit Urban Dörig der Natur mehr ihren Lauf lässt, sieht er sie mit anderen Augen: «In der Natur gibt 1 plus 1 nicht 2, sondern 5.» Der Biobauer ist der Meinung, dass in der Gesellschaft als Ganzes ein Umdenken stattfinden sollte, ohne auf den anderen zu zeigen. «Wenn wir die grossen Herausforderungen unserer Gesellschaft wie Wasser oder Gesundheit wirklich angehen wollen, müssen wir die Einfachheit und die unendliche Kraft der Natur verstehen wollen. Ein Einzelner kann das nicht lösen. Und ich mache auch nicht alles richtig», relativiert er. «Ich will meinen Grosskindern einmal in die Augen schauen, wenn sie mich fragen, ob ich meine Verantwortung gelebt habe.»