Darum gehts
- Berliner Sehenswürdigkeiten oft überfüllt und enttäuschend. Alternativen bieten authentischere Erlebnisse
- Checkpoint Charlie ist ein Nachbau, originales Wachhaus existiert nicht mehr
- Mall of Berlin beherbergt etwa 200 Shops, meist internationale Ketten
Brandenburger Tor – mehr Selfies als Geschichte
Kein Berlin-Besuch ohne das Brandenburger Tor. Wirklich jeder Tourist schiesst ein Selfie vor Deutschlands Wahrzeichen. Dementsprechend voll, chaotisch und nervig geht es auf dem Pariser Platz zu und her. Auch wenn die Kopie eines antiken Tempels keine Augenweide ist, ein bedeutendes Symbol für die Geschichte Deutschlands ist das letzte erhaltene Stadttor Berlins allemal. Das Problem: Hier geht es nicht mehr um Erinnerung, sondern um das Foto für Social Media.
Die Alternative (für historisch Interessierte): Das Dokumentationszentrum Berliner Mauer an der Bernauer Strasse ist Teil der Gedenkstätte Berliner Mauer – kostenfrei zugänglich und historisch fundiert. Entlang eines 1,4 Kilometer langen Mauerstreifens zeigt die Freiluftausstellung Originalreste der Grenzanlagen, inklusive Wachturm und Todesstreifen.
Checkpoint Charlie – Geschichte in Plastik gegossen
Der Checkpoint Charlie in Berlin war bis zur Wiedervereinigung einer der bekanntesten Grenzübergänge zwischen der BRD und der DDR – ein Symbol für den Kalten Krieg und die Idiotie der Abschottung. Man würde meinen, ein solcher Ort wäre heute eine respektvolle Erinnerungsstätte. Weit gefehlt: Der Checkpoint Charlie ist ein Nachbau à la Disneyland, inklusive Schauspielern in amerikanischen Uniformen. Das originale Wachhaus existiert nicht mehr, es wurde nach der Wende abgerissen. Das heutige Häuschen ist ein Nachbau der Baracke aus den 60er-Jahren. Auch die ikonischen Schilder «You are leaving the American sector» sind Kopien. Also: Lieber nicht hingehen!
Die Alternative: Eindrücklicher und authentischer ist der sogenannte Tränenpalast, die Grenzübergangsstelle am Bahnhof Friedrichstrasse. Die Ausstellung «Ort der deutschen Teilung» gibt Einblick in Abläufe von Grenzabfertigungen und Überwachung.
Alexanderplatz – teuer, trubelig, trostlos
Sozialistische Architektur ist historisch interessant, ästhetisch dagegen meist «abscheulich» – so wie der gesamte Alexanderplatz. Nach der Teilung Deutschlands formte die DDR-Regierung den Platz zu einem sozialistischen Prestigeobjekt um, inklusive typischer Repräsentationsbauten. Leider sind die Hochhäuser, die nach der Wiedervereinigung entstanden sind, ebenfalls seelenlose Brutalarchitektur. Dazu kommen Menschenmassen, Lärm und Schmutz. Der Alex? Nein, danke.
Die Alternative: Wer DDR-Architektur in Reinform erleben und sehen möchte, wie das Berliner Leben ausserhalb der Touristenzentren aussieht, sollte sich zum Stadtteil Marzahn aufmachen, der fast komplett aus Plattenbauten besteht.
Hackescher Markt und Hackesche Höfe – Touristen-Disneyland in Altbaukulisse
Die Höfe gelten als Inbegriff der Berliner Lebensart: Jugendstil, Boutiquen, Cafés. In Wahrheit sind die acht Höfe aus der Zeit des Jugendstils zu einem Lifestyle-Freilichtmuseum verkommen. Menschenmengen stauen sich vor Schaufenstern, in den Cafés entwickeln Digital-Hipster die neueste App für Lastenvelos – ein Mix aus Jugendstil-Disneyland, Instagramrummel und Gentrifizierungs-Humbug. Zudem: Ein Grossteil der Fassaden ist nicht original, sondern nur restauriert.
Die Alternative: Für ein echtes Hinterhof-Feeling mit Kunstwerkstätten bietet das alternative Haus Schwarzenberg in der Rosenthaler Strasse eine authentische, ungeschönte Atmosphäre.
Mall of Berlin – Shopping, wie man es überall bekommt
Noch so ein Ort, den man angeblich gesehen haben muss: die Mall of Berlin. Mit ihrer überdachten, offenen Galerie möchte das Einkaufszentrum einen Hauch Mailänder «Galleria Vittorio Emanuele II» schaffen. Doch der Neubau aus dem Jahr 2014 kommt nicht annähernd an das Original heran. Ausserdem: Von den etwa 200 Shops sind die meisten die gängigen, internationalen Ketten, die man weltweit in jeder Mall findet.
Die Alternative: Zwei Markthallen bieten ein weitaus sinnlicheres Einkaufs- und Genusserlebnis: die Markthalle Neun in Kreuzberg und die Arminiusmarkthalle im Stadtteil Moabit.
Tempelhofer Feld – grosse Betonwiese
Berlin liebt das ehemalige Flugfeld, und klar: Die Weite des einstigen Flughafens Tempelhof mitten in der Stadt ist beeindruckend. Aber schlussendlich handelt es sich nur um einige Startbahnen, zwischen denen Gras wächst – Parkidylle sucht man zwischen den Joggern, Velofahrern und Skateboardern vergebens.
Die Alternative: Einer der schönsten Parks Berlins ist der Volkspark Friedrichshain. Highlight ist der im barocken Stil gebaute Märchenbrunnen mit Skulpturen zu den Märchen der Gebrüder Grimm.