Darum gehts
Während die Kaffeemaschine läuft, scrollst du unmotiviert durch Newsfeeds und Social Media. Später paffst du noch schnell eine Zigarette, und nach 15 Minuten sitzt du wieder am Schreibtisch oder an der Werkbank. Am Abend fühlst du dich ausgelaugt. Eigentlich wolltest du noch etwas unternehmen, doch der Bildschirm und das Sofa haben die stärkere Anziehungskraft.
«Oft stauen sich die Bedürfnisse tagsüber auf, was zu einer Unzufriedenheit und in der Folge zu Erschöpfung am Abend führt», sagt Systemtherapeutin Michelle Widmer. Ihr Rat: genauer hinschauen, welche Aktivitäten Pflicht sind – und welche man sich selbst erlaubt.
Zwischen Müssen und Dürfen
Ein einfaches Gedankenexperiment macht dies sichtbar: Lasse deinen Tag mental Revue passieren und teile deine Aktivitäten in «müssen» und «dürfen» ein. Überwiegen die «Müssen»-Aufgaben, entsteht ein Ungleichgewicht.
«Es hilft, zu erkennen, wie oft man die eigenen Bedürfnisse hintanstellt», sagt Widmer. Bleibt dieser Zustand dauerhaft, führt das zu einer grundlegenden Unzufriedenheit, Frust und langfristig zu Erschöpfung.
Das Hirn abschalten
Eine Möglichkeit, um gegenzusteuern, sind Pausen. Gerade an Tagen, an denen die «Müssen»-Anteile überhandnehmen, wirken sie wie kleine Energiespeicher. Pausen gälten oft als Luxus, dabei seien sie genauso ein Grundbedürfnis wie Essen oder Schlafen, betont Widmer.
Sie spricht dabei von echten Pausen: «Eine Pausenbedürfnis für das Gehirn ist, dass kein neuer Input kommt.» Genau das ist heute eine Herausforderung – in Grossraumbüros ohne Rückzugsmöglichkeiten ebenso wie in einer Freizeit, die von Social Media und ständiger Reizflut geprägt ist.
Inseln der Ruhe
Doch auch in einer solchen Umgebung kann Ruhe gefunden werden. Das Buch «Stark gegen Stress» von Guy Bodenmann und Christine Klingler Lüthi stellt mehrere Methoden vor. Ein zentraler Punkt sind Genussmomente. Damit sind kleine Freuden im Alltag gemeint, die man bewusst wahrnimmt – etwa den Kaffee wirklich mit allen Sinnen zu geniessen, statt ihn im Stress achtlos hinunterzukippen.
Dieses Prinzip lässt sich mit dem Konzept der Mikropausen verbinden. Der Mensch ist nicht dafür gemacht, acht Stunden am Stück am Schreibtisch zu sitzen. Stehst du einmal in der Stunde auf, gehst fünf Minuten umher oder stehst ans Fenster, kann sich das positiv auf deine Kreativität und Produktivität in der nächsten Stunde auswirken.
Es geht auch kleiner: Allein die Gedanken schweifen zu lassen und in die Leere zu blicken, löst im Gehirn einen Ruhemoment aus. Studien haben gezeigt, dass das Gehirn in diesen Momenten in eine langsame Wellenaktivität verfällt, die der von Schlafphasen ähnelt. Es beginnt, die Eindrücke des Tages im Unterbewusstsein zu verarbeiten, und schafft so wieder Raum für Kreativität und Gedächtnisleistung.
Richtige Pausen sind kein Zeitverlust, sondern eine Investition. Wer auf seine Bedürfnisse achtet und die Energie den Tag über bewusst verteilt, ist am Ende nicht nur ausgeglichener, sondern auch kreativer und am Abend unternehmungsfreudiger.