Darum gehts
Die «Vorsicht Kinder!»-Schilder sind wieder los: In der ganzen Schweiz beginnen Kindergärtlerinnen und Kindergärtler sowie Erstklässlerinnen und Erstklässler einen neuen Lebensabschnitt – und gewinnen damit auch einen neuen Freiraum: den Schulweg.
Der Schulweg – ein Lernort fürs Leben
Dieser gilt als wichtiges Lernfeld, das die Entwicklung der Eigenständigkeit und des sozialen Verhaltens fördert, da sind sich Fachpersonen einig. «Beim Unterwegssein lernen Kinder, sich selbständig zu behaupten und Gefahren im Strassenverkehr richtig einzuschätzen. Auch das Agieren in der Gruppe und das Aufeinandertreffen verschiedener Altersstufen wird auf dem Schulweg geübt», sagt Lulzana Musliu von Pro Juventute.
Dass Eltern ihre Kinder zu Beginn begleiten, versteht sich von selbst. Doch wann ist der richtige Moment gekommen, um die Kleinen alleine losziehen zu lassen? Für Schulwegexperte Pascal Regli von Fussverkehr Schweiz ist die Antwort klar: so früh wie möglich.
So begleitete der Schulwegsexperte seine eigenen Kinder
Seine eigenen Kinder habe er nur am ersten Kindergartentag begleitet – danach meisterten sie den Weg selbstständig, erzählt er. «Unsere Kinder hatten dabei recht einfache Bedingungen: Der Schulweg war nur 800 Meter lang und führte über eine einzige Quartierstrasse.»
Nicht alle Kinder können auf so günstige Voraussetzungen zählen. Deshalb lasse sich auch kein allgemeingültiger Zeitpunkt nennen, ab wann Kinder den Weg alleine zurücklegen sollten. Entscheidend seien unter anderem das Selbstvertrauen des Kindes sowie Länge und Komplexität des Wegs.
Verkehrssicherheit können Eltern schon früh fördern
Mit den richtigen Massnahmen können Eltern jedoch bereits vor dem Schuleintritt die Selbstständigkeit ihrer Kinder im Strassenverkehr fördern. «Verkehrssicherheit lässt sich schon ab etwa zwei Jahren üben», sagt Regli. «Es ist wichtig, Kinder beim Zufussgehen mitzunehmen. Auf dem Weg zum Einkaufen lernen sie etwa, sich sicher auf dem Trottoir zu bewegen. Ein zentrales Detail dabei: Die Eltern gehen strassenseitig, das Kind auf der vom Verkehr abgewandten Seite.»
Im Alter von drei Jahren können erste Strassenüberquerungen geübt werden: stehen bleiben, links und rechts schauen. Mit vier Jahren sind viele Kinder fähig, eine verkehrsarme Quartierstrasse selbstständig zu überqueren. Und ab etwa fünf Jahren können sie – mit etwas Übung – auch stärker befahrene Strassen bewältigen.
Es gibt keinen generell gültigen Zeitpunkt fürs Alleinegehen
Wann ein Kind dafür bereit ist, hängt stark von seiner individuellen Entwicklung und den jeweiligen Umständen ab. «Eine Checkliste gibt es nicht, es ist ein Prozess», betont Regli. Die Fähigkeit, Distanzen und Geschwindigkeiten von Fahrzeugen korrekt einzuschätzen, entwickle sich erst allmählich. Umso wichtiger sei es, frühzeitig und regelmässig sicherheitsrelevantes Verhalten zu üben.
Regli ist überzeugt: Eltern sollten diesen Prozess aktiv unterstützen – im Interesse ihrer Kinder. Allerdings mache es keinen Sinn, den Alleingang zu erzwingen. Weigert sich ein Kind über längere Zeit, den Schulweg allein zu gehen, könnten psychologische Gründe eine Rolle spielen. Dann gelte es, genauer hinzuschauen und das Gespräch zu suchen: Fühlt sich das Kind unsicher? Hat es Angst vor der Trennung? Oder fällt es vielleicht sogar den Eltern schwer, loszulassen?
Diese Sichtweise teilt auch Lulzana Musliu von Pro Juventute. Sollte ein Kind über längere Zeit nicht bereit sein, den Schulweg selbstständig zu bewältigen, rät sie zu einer schrittweisen Ablösung: «Eltern von Kindern, die sich den ganzen Weg noch nicht zutrauen, können versuchen, in kleinen Schritten immer mehr Verantwortung zu übergeben. Zuerst kann man die Kinder vielleicht nur den Weg über den Schulhausplatz allein gehen lassen, dann immer wieder ein Stück dazunehmen und die Erfolge gebührend wertschätzen.»
Zur Thematik lesenswert sind die Informationen zum Thema «Schulweg» von Pro Juventute sowie die Ratgeber «Sicherer Schulweg» der Beratungsstelle für Unfallverhütung.