Darum gehts
Blick: Was versteht man unter Wachstumsschmerzen?
Thomas Dreher: Im Grunde handelt es sich bei Wachstumsschmerzen um eine Ausschlussdiagnose bei Kindern im Wachstum. Das heisst, man darf diese Diagnose erst stellen, wenn sicher ausgeschlossen wurde, dass keine andere Ursache für die Schmerzen vorliegt.
Wie zeigen sich Wachstumsschmerzen?
Typischerweise mit einem Brennen oder Ziehen – hauptsächlich in den Beinen. Zudem treten die Schmerzen eher nicht tagsüber, sondern hauptsächlich gegen Abend und in der Nacht auf.
Wer ist davon betroffen?
In der Regel sind das Kinder zwischen zwei und zehn Jahren. In dieser Altersgruppe leiden etwa 20 bis 40 Prozent der Kinder zeitweise unter Wachstumsschmerzen.
Warum kommt es zu diesen?
Die Ursache ist noch nicht abschliessend geklärt. Man vermutet jedoch, dass sie entstehen, weil die Weichteile wie Muskeln und Sehnen langsamer wachsen als die Knochen. Dies ist bei den Beinen besonders ausgeprägt der Fall. Da die Wachstumshormone in der Nacht verstärkt ausgeschüttet werden, kommt es ausserdem vor allem dann zu den genannten Symptomen.
Leiden die Kinder über längere Zeit darunter?
Das ist sehr individuell, da die Schmerzen im Rahmen von Wachstumsschüben auftreten und Wachstum an bestimmten Tagen stärker stattfindet als an anderen. Die meisten Kinder haben nur gelegentlich Beschwerden. Andauernde, chronische Verläufe sind eher selten.
Welche anderen Erkrankungen können ähnliche Beschwerden auslösen?
Beispielsweise kann es auch bei gut- oder bösartigen Tumoren am Skelett oder am Muskel oder bei Infektionen zu nächtlichen Schmerzen kommen. Im Gegensatz zu den Wachstumsschmerzen sind dann aber typischerweise nicht beide Beine betroffen, sondern nur eines. Zudem zeigen sich an der betroffenen Stelle oft Schwellungen oder Rötungen. In diesen Fällen muss unbedingt die Kinderärztin oder der Kinderarzt aufgesucht werden. Genauso, wenn die Schmerzen vor allem am Tag auftreten – dann handelt es sich vermutlich nicht um Wachstumsschmerzen. Im Zweifelsfall würden die Kinderärztinnen und -ärzte eine Überweisung zur fachärztlichen Beurteilung in die Wege leiten.
Können Wachstumsschmerzen behandelt werden?
Am wichtigsten ist die Aufklärung der Eltern und Kinder. Sie sollten wissen, dass Wachstumsschmerzen nicht zu einem Schaden führen und von selbst wieder verschwinden. In der akuten Phase können Massagen und schmerzlindernde Salben helfen. Bei stärkeren Schmerzen darf das Kind gelegentlich auch ein Schmerzmittel bekommen – allerdings nicht regelmässig. Ausserdem gibt es Hinweise darauf, dass Vitamin D und Magnesium die Beschwerden lindern können. Wissenschaftlich gut belegt ist das jedoch nicht. Solange man aber nicht überdosiert, kann man versuchen, mit diesen Präparaten eine positive Wirkung zu erzielen.
Können auch Bewegung oder Dehnen helfen?
Bewegung hat kaum Einfluss auf diese Art der Schmerzen. Dehnen ist naheliegend, wenn man davon ausgeht, dass die Weichteilstrukturen nicht schnell genug wachsen. Es kann daher tatsächlich helfen. Manche Kinder empfinden das Dehnen aber als unangenehm. Dann sollte man es bleibenlassen.
Wie können Eltern ihre Kinder bei Wachstumsschmerzen konkret unterstützen?
Kinder wünschen sich bei Schmerzen vor allem Trost, Aufmerksamkeit und Fürsorge. Es ist wichtig, ihnen zu erklären, dass die Schmerzen harmlos sind und wieder vergehen. Reagieren die Eltern verunsichert oder ängstlich, kann sich das auf das Kind übertragen.