Pressefotograf Siegfried Kuhn erzählt
«Mein Lieblingsbild habe ich noch nicht geschossen»

Roger Moore, Friedrich Dürrenmatt, Elizabeth Taylor: Der Ringier-Fotograf Siegfried Kuhn (91) hatte sie alle vor der Linse. Im Buch «Siegfried Kuhn Pressefotograf 1959–1995» verrät er die Geschichten und Anekdoten hinter seinen Bildern.
Publiziert: 20.06.2022 um 10:17 Uhr
Siegfried Kuhn (der Fotograf ganz links) und seine Berufskollegen knipsen während der Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften 1966 den Eiskunstläufer Gary Visconti (77).
Foto: StAAG/RBA
Lea Ernst

Friedrich Dürrenmatt mit seinem Kakadu, der Skispringer Hans Schmid, der über seine Frau springt, Muhammad Ali beim Boxtraining: In 36 Jahren als Schweizer Pressefotograf hat Siegfried Kuhn (91) so einiges erlebt. «Viele Erinnerungen waren schön und lustig, andere auch etwas ungemütlich bis tragisch», sagt Kuhn, der bei Murten FR wohnt. 1962 bis 1995 hat er für das Verlagshaus Ringier gearbeitet.

Hauptsächlich knipste Kuhn Sportanlässe und Reportagen. Hin und wieder hielt er auch Personen aus Politik, Kunst und Kultur oder Aktualitäten wie ein Lawinenunglück fest. Besonders eng arbeitete Kuhn mit Ringier-Publizist Frank A. Meyer (78) zusammen. Bei vielen Aufträgen assistierte ihm seine Ehefrau Maya (84). Kuhns Bilder erschienen in über zwanzig verschiedenen Illustrierten, Magazinen und Tageszeitungen.

Mehr als 140 der Geschichten und Anekdoten hinter seinen Bildern hat er nun für die Fotopublikation «Siegfried Kuhn Pressefotograf 1959–1995» zu Papier gebracht. Und erzählt unter anderem, wie er Bond-Schauspieler Roger Moore (1927–2017) zum Kühemelken gebracht hat oder wie er Schauspielerin Elizabeth Taylor (1932–2011) beim Spaziergang mit ihrem Hund in Gstaad BE knipste.

Der Wandel der Fotografie

Angefangen hatte alles mit einer alten Hasselblad-Kamera. Wunderbar, aber unglaublich schwer und unhandlich, so Kuhn heute. Für Sportaufnahmen sei die damalige Technik überhaupt nicht geeignet gewesen. «An der Olympiade in Innsbruck 1976 musste ich direkt an der Piste stehen, um ein gutes Bild zu schiessen – die Skirennfahrer flitzten direkt vor meiner Nase vorbei», erzählt Kuhn. «Das dürfte man heute gar nicht mehr.»

Seit dem Beginn von Kuhns Karriere bis heute hat sich die Fotografie fast bis zur Unkenntlichkeit gewandelt. Von der automatischen Scharfstellung («Beim Fussballmatch haben wir früher oft die guten Szenen verpasst, weil wir für die Schärfe am Objektiv drehen mussten», sagt Kuhn) bis zur digitalen Fotografie («Bei der Arbeit mit Analogfilmen sah man seine Bilder meist erst, wenn man die Zeitung aufschlug»).

Der Unterschied zu früher sei gewaltig. Heute beeindrucke es Kuhn, welche Aufnahmen man bereits mit einem Handy schiessen könne. Seine Lieblingsfotografie? «Die habe ich bisher noch nicht geschossen», sagt er und lacht. Dennoch sind Kuhn drei seiner Bilder in besonderer Erinnerung geblieben.

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Die Geschichte hinter Dürrenmatt und seinem Kakadu

«Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) war ein hochinteressanter Mensch. Ich porträtierte ihn mit seinem Kakadu, der ihm dabei regelmässig in den Kopf pickte. ‹Jeder Mensch hat seinen Vogel›, sagte der Schriftsteller damals. Die wichtigste Regel: Ich durfte ihn fotografieren, einfach nie dann, wenn er gerade malte. Einmal sprach Dürrenmatt etwa eine Stunde lang über seine Sixtinische Kapelle – also seine Toilette, die von oben bis unten wunderbar bemalt war. Ich hätte ihn gerne darauf fotografiert, das wollte er jedoch nie. Ein oder zwei Mal konnte ich ihn schlussendlich trotzdem beim Malen ablichten.»

Was lag näher, als einen der besten Schweizer Skispringer springend zu fotografieren? Für ein Porträtfoto sprang Skispringer Hans Schmid über seine Frau und sein Kind.
Foto: Siegfried Kuhn, Staatsarchiv Aargau, Ringier Bilderarchiv

Als Skispringer Hans Schmid über Frau und Kind sprang

«Beim Fototermin mit Hans Schmid (73) im Jahr 1971 dachte ich, es wäre vielleicht lustig, wenn er über seine Frau springt. Denn was lag näher, als einen der besten Schweizer Skispringer springend zu fotografieren? Schmid war sofort dabei, so auch seine Frau, die noch ihr Kind auf ihren Schoss holte. Sicher zehn Mal sprang Schmid also ohne Hilfsmittel und ab flachem Boden über seine Frau und sein Kind – zum Glück erfolgreich. Im Buch ist die ganze Serie abgebildet. Die Aufnahmen gefallen mir wirklich gut, weil ich nicht weiss, wie viele bei so einer Idee mitgemacht hätten.»

Einen Monat lang begleitete Siegfried Kuhn das Boxtraining von Muhammad Ali vor den Weltmeisterschaften.
Foto: Siegfried Kuhn

Ein Monat Boxtraining mit Muhammad Ali

«Einen Monat lang begleiteten der damalige Blick-Sportjournalist Mario Widmer und ich das Training von Profiboxer Muhammad Ali (1942–2016). Das war für mich ein echter Höhepunkt. Einige meiner Schwarz-Weiss-Aufnahmen wurden sogar in Amerika gedruckt. Im Nachhinein betrachtet war es schon verrückt, einen Monat lang das Training begleiten zu können. Heute käme das sicher nicht mehr in Frage. Auf das Training folgte der Kampf um den Weltmeistertitel zwischen Ali und Ernie Terrell (1939–2014). Ali gewann haarscharf.»

Die Buchvernissage findet am 23. Juni um 18 Uhr inklusive Lesung im Stadtmuseum Aarau statt.

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