Meine Freundin (25) ist vor wenigen Tagen nach Südamerika zu einem Austauschsemester abgereist. Ich (28) habe sie in der Vorbereitung nach Kräften unterstützt und werde sie mehrmals im Ausland besuchen. Ich wollte ihr auch nie sagen, dass ich Angst habe, dass ihr etwas passiert, oder dass unsere Beziehung nicht hält. Aber jetzt fühle ich mich schlecht und beunruhigt. Unter Austauschstudenten wird doch auch viel Party gemacht. Jan
Lieber Jan
Du hast in den letzten Wochen einen ziemlichen Kraftakt geleistet, indem du deine Freundin unterstützt hast. Jetzt ist es Zeit, dass du auch ein paar negative Gefühle zulässt. Auch sie gehören dazu, denn du bist kein Übermensch, dem diese räumliche Trennung nichts ausmachen darf.
Die Zeit kurz nach der Abreise gehört für dich als Daheimgebliebenen zu den schwierigsten. Es dauert noch sehr lange, bis ihr euch wiederseht, und du musst dir zur gleichen Zeit wieder einen Alltag ohne Freundin aufbauen. Ihr müsst erst herausfinden, in welchem Rhythmus und auf welche Art ihr jetzt am besten den Kontakt pflegt.
Das soll aber nicht heissen, dass du einfach in Selbstmitleid zerfliessen sollst. Nach dem ersten Tief musst du dich auch einigen Tatsachen stellen: Eine Beziehung bleibt nicht schön, indem man sie unter eine Glasglocke stellt, unter der sie sich nicht verändern darf. Zwei Menschen sollen nicht zusammen sein, weil sie aneinandergekettet sind, sondern weil sie sich immer neu füreinander entscheiden.
Gerade in lang andauernden Beziehungen ist es wichtig, dass sich die Partner auch entwickeln können. So mag diese Zeit jetzt zwar ein Test sein für eure Beziehung, sie bietet aber auch viel Potenzial für eure Entwicklung.
Du darfst deiner Freundin ruhig sagen, wie sehr du sie vermisst, und dass du dir auch mal Sorgen machst – solange du sie nicht mit Schauermärchen überflutest.