Darum gehts
Kaum ein Schweizer Start-up sorgte für so viel Aufsehen wie Ava. Das Ziel: die Revolution der Frauengesundheit durch ein smartes Armband, das Paare beim Kinderwunsch unterstützt. Ava zog über 50 Millionen Dollar Investorengelder an. Der Aufstieg war schnell und hoch. 2022 verschwand Ava nach einem Notverkauf aus der Öffentlichkeit – und mit dem Femtech-Unternehmen auch dessen Mitgründerin Lea von Bidder (35). Das Buch «Die Kindermacher – Aufstieg und Fall der grössten Schweizer Start-up-Hoffnung Ava» von «Handelszeitung»-Journalist Stefan Mair bringt Ava und Lea von Bidder nun zurück ins Rampenlicht.
Was war Ihre erste Reaktion, als Stefan Mair Ihnen vorschlug, die Geschichte von Ava in einem Buch zu veröffentlichen?
Lea von Bidder: Nie und nimmer! Ich habe lange gebraucht, um über das Ganze wegzukommen, und das Letzte, was ich für eine lange Zeit wollte, war Aufmerksamkeit in irgendeiner Art und Weise.
Was hat Ihre Meinung geändert?
Ich kam zum Schluss, dass in meiner Geschichte sehr viel Lehrreiches steckt. Dass man nach einem Misserfolg abtaucht, ist typisch für unsere Gesellschaft, ich habe es auch getan. Dabei finde ich, ist das nicht der Weg, wie wir mit so etwas umgehen sollten.
Warum wollten Sie eigentlich Unternehmerin sein?
Ich habe wirklich Freude daran, Dinge zu erschaffen. So wie Künstlerinnen oder Künstler Spass daran haben, ihr Bild oder ihren Film zu kreieren, liebe ich es, die Puzzleteile einer Firma zusammenzusetzen.
Bei Ava gab es von Anfang an kritische Stimmen, zum Beispiel wurden Studien angezweifelt. Hat Sie das verunsichert?
Das ist normal. Wer eine Firma gründet, löst von Anfang an ein Problem nach dem anderen, das ist Teil des Jobs.
2014 lancierte das Zürcher Start-up Ava sein revolutionäres Zyklus-Armband: Die Nutzerinnen trugen es im Schlaf, am Morgen erhielten sie auf der App eine Auswertung zu ihren fruchtbaren Tagen. Sensoren machten Angaben über Hauttemperatur, Ruhepuls, Atemfrequenz, Herzratenvariabilität und Hautdurchblutung. Laut Medienberichten wurden dank Ava 40'000 Babys geboren.
An der Spitze von Ava stand Lea von Bidder, die sich mit finanzieller Hilfe ihrer Eltern als Mitgründerin in die Firma einkaufte und zur Ikone der Schweizer Start-up-Szene wurde. Investoren pumpten insgesamt 50 Millionen Dollar in das Unternehmen, das schnell in die USA expandierte. Genauso schnell explodierte der Medienhype um Ava und von Bidder.
Doch hinter den Kulissen brodelte es von Anfang an. Die Marketingausgaben waren hoch, die Strategie nicht klar, und die Produkt-Retouren rissen nicht ab. 2022 blieb nur der Notverkauf an den Medtech-Konzern Femtec Health aus Texas. In der Folge wurden die Anteile der Ava-Investoren wertlos, sie verloren ihr Geld. Von Bidder wurde aus ihrem eigenen Unternehmen entlassen, musste gar Arbeitslosengeld beziehen. Ein echter Wirtschaftskrimi, den Autor Stefan Mair in seinem Buch aufrollt.
«Die Kindermacher – Aufstieg und Fall der grössten Schweizer Start-up-Hoffnung Ava» hier bestellen.
2014 lancierte das Zürcher Start-up Ava sein revolutionäres Zyklus-Armband: Die Nutzerinnen trugen es im Schlaf, am Morgen erhielten sie auf der App eine Auswertung zu ihren fruchtbaren Tagen. Sensoren machten Angaben über Hauttemperatur, Ruhepuls, Atemfrequenz, Herzratenvariabilität und Hautdurchblutung. Laut Medienberichten wurden dank Ava 40'000 Babys geboren.
An der Spitze von Ava stand Lea von Bidder, die sich mit finanzieller Hilfe ihrer Eltern als Mitgründerin in die Firma einkaufte und zur Ikone der Schweizer Start-up-Szene wurde. Investoren pumpten insgesamt 50 Millionen Dollar in das Unternehmen, das schnell in die USA expandierte. Genauso schnell explodierte der Medienhype um Ava und von Bidder.
Doch hinter den Kulissen brodelte es von Anfang an. Die Marketingausgaben waren hoch, die Strategie nicht klar, und die Produkt-Retouren rissen nicht ab. 2022 blieb nur der Notverkauf an den Medtech-Konzern Femtec Health aus Texas. In der Folge wurden die Anteile der Ava-Investoren wertlos, sie verloren ihr Geld. Von Bidder wurde aus ihrem eigenen Unternehmen entlassen, musste gar Arbeitslosengeld beziehen. Ein echter Wirtschaftskrimi, den Autor Stefan Mair in seinem Buch aufrollt.
«Die Kindermacher – Aufstieg und Fall der grössten Schweizer Start-up-Hoffnung Ava» hier bestellen.
Dann kam der Hype: Ava wurde zum Liebling der Investoren, räumte Preise ab, Sie selbst standen im Fokus der Öffentlichkeit. Wie haben Sie das erlebt?
Ich hadere etwas mit dem Wort Hype, da es für mich impliziert, dass nichts dahinterstand. Das stimmt nicht. Ava ist zu einer gewissen Zeit sehr schnell gewachsen, das ist ein Fakt. Die mediale Aufmerksamkeit in der Schweiz habe ich damals gar nicht so mitbekommen, da wir mit Ava sehr schnell in die USA gingen und ich in San Francisco lebte und arbeitete.
Da war auf der einen Seite der schnelle Erfolg, auf der anderen Seite war die Retourenquote der Armbänder von Anfang an sehr hoch. Wie gingen Sie mit dieser Ambivalenz um?
Das war schwierig. Aber ich glaube, wir gingen das Problem sehr effizient an.
Einer Ihrer Mitbegründer sagt im Buch, rückblickend sei wohl der wichtigste Grund fürs Scheitern, dass das Produkt nicht gut genug war.
Man muss dazu sagen, dass wir mit dem Armband Vorreiter waren und unzählige Male kopiert wurden, auch von grossen Firmen. Schlussendlich ist Scheitern immer ein Zusammenspiel von ganz vielen Faktoren.
Sie haben Ava schliesslich verkauft. Was war das für ein Moment?
Ich wollte nicht verkaufen, und ich wusste, dass es eine riesige Enttäuschung für Investoren und Mitarbeitende war. Aber es gab einen Teil in mir, der sich freute. Ava wurde nicht gegen einen fixen Preis verkauft, sondern gegen Aktienanteile, was uns erlaubt hätte, Teil des neuen Unternehmens zu sein.
Was nicht der Fall war. Sie wurden schnell an den Rand gedrängt und schlussendlich aus Ihrer eigenen Firma entlassen.
Die Warnzeichen kamen wahnsinnig schnell, Rechnungen wurden nicht bezahlt, Versprechen nicht eingehalten. Die Entlassungen waren nur noch das Tüpfli auf dem i.
Zu welchem Zeitpunkt haben Sie sich selbst erstmals eingestanden, gescheitert zu sein?
Es begann mit dem Verkauf, auch wenn ich da noch Hoffnung hatte. Richtig bewusst wurde es mir einige Wochen später.
Was ist Scheitern für ein Gefühl?
Scham.
Hat sich das mit etwas Abstand geändert?
Ich wünsche mir nicht mehr, dass es anders gewesen wäre, eine Zeit lang tat ich das. Aber niemand ist stolz darauf, zu scheitern. Es fühlt sich auch heute noch nicht gut an.
Sie sprechen in dem Buch offen über psychische Probleme wie Angstzustände und Panikattacken.
Ich habe mich bewusst dafür entschieden. Vielleicht hilft es jemandem. Ich sah dies damals als grosse Schwäche, fragte mich, warum ich es nicht schaffe, klarzukommen. Mental Health ist ein riesiges Problem in der Founder-Community, und niemand spricht darüber. Welcher Investor würde einer Gründerin Geld geben, die zugibt, gerade mitten in einer Krise zu stecken?
Trotz all dieser Erfahrungen haben Sie mittlerweile Ihr drittes Start-up gegründet. Was machen Sie jetzt anders?
Ich baue kein Ganz-oder-gar-nicht-Unternehmen mehr. Ich wählte kein Modell, das das Potenzial hat, sehr schnell sehr gross zu werden, sondern eines, das langsam wächst. Wir finanzieren uns selbst. Die Chance, in ein paar Jahren Milliarden wert zu sein, ist gleich null. Dafür ist die Überlebenschance höher.
Haben Sie noch Angst vor dem Scheitern?
Ja, die geht nie weg. Obwohl ein erneutes Scheitern wohl weniger schlimm wäre. Übung macht die Meisterin (lacht).
Sie sind inzwischen zweifache Mutter. Freuen Sie sich, wenn eines Ihrer Kinder dereinst eine eigene Firma gründen möchte?
Ich würde es sicherlich unterstützen. Es ist kein einfacher Weg, aber ein schöner.