Urin gilt seit Jahrtausenden in diversen Kulturen als Indikator für verschiedene Krankheitsbilder sowie als wirksames Mittel in der Kosmetik und der Heilkunde. Bereits die Ägypter haben anhand des Urins den gesundheitlichen Zustand einer Person bestimmt. Dazu verglichen sie Menge, Farbe, Geruch und Geschmack des Harns. Zudem behandelten sie Haut- und Augenkrankheiten mit dem Ausscheidungsprodukt. Auch in der chinesischen und ayurvedischen Heilkunde wird die heilende Wirkung des Urins erwähnt.
Besonders appetitlich ist die Vorstellung nicht, seinen eigenen Urin zu trinken. Doch es gibt auch noch heute eine beachtliche Bewegung, die auf das Urintrinken schwört; Millionen von Menschen tun es regelmässig. Angeblich helfe es gegen diverse Krankheiten. Wissenschaftliche Studien über die Wirksamkeit des Ausscheidungsstoffs gibt es allerdings nicht.
Aufgekocht, gekühlt oder gereift trinken
Am wohl bekanntesten ist die Eigenurintherapie: Man trinkt den eigenen Urin. Es gibt allerdings die, die auf Fremdurin schwören; zum Beispiel der indische Premierminister Narendra Modi macht aus seiner Überzeugung, Kuh-Urin habe heilende Kräfte, kein Geheimnis – wohl auch wegen des Status der Kuh in Indien.
In den 90er-Jahren sorgte die Journalistin Carmen Thomas für Furore. Sie schrieb einen Bestseller und erklärte, dass es ganz verschiedene Methoden gebe, Urin zu trinken: Man könne ihn aufgekocht, gekühlt oder gereift trinken. Thomas’ Bestseller beschreibt spektakuläre Heilungen und stützt sich dabei – wie viele Urin-Bücher – auf das Werk «Urin – das Wasser des Lebens» (1940) von John W. Armstrong.
Im Urin verbirgt sich unerwartetes Potenzial
Das pharmazeutische Potenzial des Urins ist längst kein Geheimnis mehr. Zahlreiche Medikamente enthalten Stoffe, die aus Urin gewonnen werden. So zum Beispiel Urokinase, ein Medikament, das Urinproteine enthält und Blutgerinnsel auflöst. Auch die Stammzellenforschung hat ein Interesse am Ausscheidungsprodukt: In China versuchen Forschende, aus dem Urin Stammzellen zu gewinnen.
Doch nur weil nützliche Stoffe aus dem Urin gewonnen werden können, heisst das nicht, dass das Trinken von Urin gesund ist. Urin besteht zu 95 Prozent aus Wasser und zu 5 Prozent aus Endprodukten des Stoffwechsels. Bei gesunden Menschen sollte das Trinken des eigenen Urins weder Vorteile noch Nachteile bringen, da er steril ist. Ist der Urin dunkel gefärbt oder riecht er beissend, könnte das auf eine Krankheit hindeuten. Dann sollte man auf das Trinken besser verzichten.
Wasser ist wohl gesünder
Gefährlich ist das Trinken des eigenen Urins auch dann, wenn sich eine Person in einer medikamentösen Therapie befindet. Mit dem Urin werden nämlich Stoffe eines entsprechenden Medikaments ausgeschieden; durch die Einnahme gelangen sie wieder in den Körper. Zudem wird die Zusammensetzung des Urins durch Faktoren wie Tageszeit und Ernährung beeinflusst.
Vieles spricht dafür, dass das Urintrinken im besten Fall harmlos ist. Infektions- und Vergiftungserscheinungen können aber nie ausgeschlossen werden. Der einzig positive Effekt kann laut verschiedener Experten eigentlich nur Placebo sein. Und besonders gut schmeckt er wahrscheinlich auch nicht. (gup)