Schönheitschirurgin Colette Camenisch
«Liftings sind das letzte Mittel»

Die plastische Chirurgin Dr. Colette Camenisch über die Kunst des Modellierens von Gesichtern und die Zukunft der ästhetischen Chirurgie.
Publiziert: 15.07.2016 um 12:28 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 07:54 Uhr
Birgitta Willmann

Liquid Facelift, Skinbooster oder Laser: Neben klassischen Eingriffen wie Facelift oder Bruststraffungen gibt es heute immer mehr Behandlungen, die ohne Skalpell auskommen. Ist die klassische Schönheitschirurgie ein Auslaufmodell?
Nein, denn ohne rekonstruktive Chirurgie geht es nach wie vor nicht. Eine Nase zum Beispiel kann man nun mal nur ­chirurgisch verändern. Ansonsten aber geht der Trend in der Schönheitsindustrie tatsächlich hin zu möglichst natürlichen Ergebnissen – ohne Skalpell. Heute zieht niemand mehr so an der Haut, dass man 100 Meter gegen den Wind das Lifting erkennt. Sondern das Ziel ist, dass jeder sagt: «Du siehst jetzt aber frisch aus.» Die Eingriffe sind so diskret durchgeführt, dass keiner genau sagen kann, was eigentlich gemacht wurde.

Mit welchen Methoden?
Wir arbeiten mehrheitlich minimalinvasiv. Im Idealfall können sogar die eigenen Ressourcen benutzt werden, um ein Gesicht aufzufrischen. Eigenfett ist ein grosses Thema. Wenn man ein paar störende Pölsterchen hat wegmachen lassen und mit dem gewonnenen Eigenfett die Nasolabialfalte unterspritzen kann, why not? Mit Eigenfett kann unter Umständen auch Brüsten wieder zu mehr Volumen verholfen werden. Das ­ergibt wunderschöne Ergebnisse. Oder im Gesicht verwendet man Hyaluronsäure zur Unterspritzung. Das ist ein zu 99 Prozent natürliches Produkt, das sich in jedem Körper befindet. Die wasserbindende Hyaluronsäure hat die Aufgabe, die Haut mit Feuchtigkeit zu versorgen und das Gewebe zu regenerieren.

Dr. Colette Carmenisch, Plastische Chirurgin.
Foto: zvg (gratis)

Das heisst, es wird weniger ­geschnitten?
Ich denke, man kann damit zum ­Beispiel Faceliftings verzögert beziehungsweise als Ultima Ratio einsetzen. Oder je nach Patientin sogar Brustimplantate vermeiden. Die minimalinvasiven Methoden erweitern die Spannbreite, etwas zu tun, bevor man zum Skalpell greifen muss.

Und wie entscheiden Sie, was getan werden muss?
Die Patientin kommt mit dem Wunsch: Ich möchte gerne frisch aussehen. Frisch aussehen heisst ja nicht, gleich das Skalpell zu zücken und einmal zu straffen. Frisch bedeutet, ich muss mir die diversen Bereiche einzeln anschauen. Ist die Hautqualität gut? Denn was nützt eine Aufpolsterung, wenn sie nicht gesund schimmert? Also muss sie eventuell noch zur Kosmetikerin. Wie sieht es mit den Zähnen aus? Muss sie zum Zahnarzt? Wie sieht das Gesicht aus? Ist noch Volumen da oder die Haut bereits ­erschlafft? Oder braucht die Patientin zuallererst eine hormonelle Beurteilung durch den Facharzt? Schönheit hat viele Aspekte. Es liegt an uns, zu beraten und die Leute auf die richtige Spur zu schieben.

Sie haben einen ganzheitlichen Ansatz gewählt?
Ja. Die Patienten schätzen es sehr, wenn man über die chirurgische Praxis hinaus auch ganzheitliche Aspekte beachtet. Ich gebe zum Beispiel nach jeder Operation grundsätzlich Arnika. Ein uraltes Heilmittel, das die Wundheilung fördert.

Das entspricht wohl auch dem Wunsch der Patientinnen.
Ja, das auch. Die Leute stehen im Berufsleben und müssen rasch wieder einsatzbereit sein. Bei einem minimalinvasiven Eingriff steht man nach zwei Stunden wieder auf der Strasse, ohne dass jemand etwas merkt. Bei einer Operation braucht es eine Narkose, man ist ausgeliefert und muss sich passiv in die Hände des Chirurgen begeben. Und man braucht eine gewisse Auszeit, bis die Hämatome weg sind, die Narben verheilt. Wenn man also wählen kann zwischen Wachsein und Mitreden oder in Narkose liegen, dann ist es verständlich, dass die meisten primär Ersteres wählen.

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Man bekommt den Eindruck, dass in der ästhetischen Medizin früher sich abgrenzende Gebiete wie Dermatologie, Chirurgie oder Kosmetik immer mehr zusammenwachsen. Wie schätzen Sie das ein?
Das kann ich nur bestätigen. Ich selbst empfinde die Zusammenarbeit mit meinen Berufskollegen aus anderen Spezialbereichen als Bereicherung. Wir sind keine Konkurrenten, wir ergänzen uns. Und das im Interesse des Patienten, der oft sehr dankbar ist. Beispielsweise wenn ich auf Probleme wie Altersflecken und Aknehaut aufmerksam mache, selbst wenn die Dermatologie nicht mein Fachgebiet ist. Umgekehrt schicken mir meine Kollegen Patienten zur operativen Korrektur bei hängenden Augenlidern oder Tränensäcken. Und eine regelmäs­sige Hautreinigung bei der Kosmetikerin gehört ebenso dazu wie die jährliche Dentalhygiene. Die Grenzen sind zwar immer noch sichtbar, aber der Blickwinkel hat sich schon deutlich zum ganzheitlichen Ansatz hin geöffnet.

Was treibt die Leute zu Ihnen?
Alle haben das gleiche Ziel: Sie wollen sich in ihrer Haut wohlfühlen. Ich habe fast keine Patienten, die sagen, ich möchte anders aussehen, deutlich jünger zum Beispiel. Es geht darum, in den Spiegel zu schauen und das reflektiert zu sehen, was man im Innersten sieht. Die meisten sind glücklich über ihr individuelles Aussehen und wollen das Beste daraus machen. Also aufbauen und erhalten bei den jungen Frauen, dann ab 40 werden erste Anzeichen des Alters bekämpft. Mitte 50- bis 70-Jährige möchten dann meist einfach frisch und altersentsprechend gut aussehen

Wir sind hier in Ihrer Praxis in der Zürcher Pyramide, dem Faceatelier. Verstehen Sie sich als Künstlerin?
Absolut, das ist für mich genauso eine Kunst wie Bildhauerei. Wenn ich ein ­Gesicht sehe, beginne ich automatisch zu analysieren. Ich denke dann: Aha, im Mittelgesichtsbereich fehlt es. Das kann man schon mit Kunst vergleichen, weil einfach nur Volumen hineinspritzen kann jeder. Aber am richtigen Ort ­gezielt Volumen zu platzieren und zu berechnen, ob damit auch der gewünschte Effekt erzielt wird, dazu braucht es Erfahrung und Fingerspitzengefühl.

Was bringt uns die Zukunft?
Ich vermute, es wird wohl in die Richtung individuelle Präparate gehen. Schliesslich hat jeder Mensch ganz spezifische Bedürfnisse, und keine Haut ist wie die andere. Vielleicht kann man künftig aus körpereigenen Stammzellen individuelle Cremes herstellen, damit man frisch und gesund aussieht. Oder vielleicht lassen sich körpereigene Zellen so stimulieren, dass sie wieder schneller arbeiten. Unser Kapital ist eigenes Gewebe, unter anderem Fett, das man injizieren und damit eine Verjüngung hervorrufen kann. www.pyramide.ch

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