Neuste medizinische Entdeckungen aus Frankreich sorgen für Aufruhr: Eigentlich galten Circoviren für Menschen bislang als unbedenklich. Die Tierpathogene sind bekannt für eine Reihe von Tierkrankheiten in Europa. Darunter eine tödliche Krankheit bei Papageienvögeln und weitere Krankheiten bei Schweinen. Bisher haben die Forscher eine Infektion des Menschen mit dem Virus ausgeschlossen. Die Untersuchung einer Patientin mit einer mysteriösen Lebererkrankung ergab nun etwas anderes: Das Virus könnte für Menschen doch gefährlich sein.
Die Frau hatte Anfang der 2000er eine Herz- und Lungentransplantation und musste dadurch immunschwächende Medikamente einnehmen, wie «Focus» berichtet. Anfang 2022 kam sie wegen einer chronischen Hepatitis ins Spital. Erst konnten die Ärzte keine typischen Hepatitis-Erreger finden. Die Ermittlung von Gensequenz unbekannter Herkunft zeigte aber die Präsenz eines unbekannten Circovirus im Blut und Lebergewebe der Patientin. Diese neue Entdeckung haben Philippe Pérot und seine Kollegen vom Institut Pasteur in Paris gemacht.
HCirV-1 greift menschliche Leberzellen an
Circoviren sind 1974 erstmals entdeckt worden. Die Viren sind mit maximal 30 Nanometer Durchmesser extrem klein, haben einen einfachen Bau und besitzen keine Hülle. Deren Erbgut bildet eine einzelsträngige, ringförmige DNA. Daher auch der Name «Circo». Für Menschen galten die Viren bisher als völlig harmlos. Die Forscher haben die neue Virusvariante «human Circovirus-1» getauft, kurz HCirV-1. Das Virus infiziert menschliche Leberzellen, vermehrt sich in ihnen und schädigt sie dadurch. Diese neue Entdeckung könnte ebenfalls für andere unerklärte Fälle von Hepatitis verantwortlich sein – beispielsweise für die Hepatitis-Epidemie Anfang 2022, bei der überwiegend Kinder in Grossbritannien betroffen waren.
Wie sich die Patientin mit dem Virus infiziert hat, ist noch unklar. Das neue Circovirus stammt nicht vom Tierpathogen ab, das zeigen aktuelle DNA-Vergleiche. Die Forscher vermuten, dass HCirV-1 zwar tierischen Ursprungs ist, aber möglicherweise beim Verzehr übertragen werden kann, ähnlich wie beim Hepatitis-E-Virus. Hepatitis-E kann man in der Regel bekommen, wenn man unzureichend gegartes Schweine- oder Wildfleisch isst. Eine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch ist eher selten.
Ob das neue Virus von Mensch zu Mensch übertragbar ist, ist noch unklar. Das HCirV-1 konnte bei der Patientin im Speichel, Urin und Kot nachgewiesen werden. Für das neue Circovirus ist bereits ein PCR-Test entwickelt worden. Es bleibt die Frage, ob Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder sogar Aerosolen der Atemluft zu einer Ansteckung führen können. Dies müsse noch geklärt werden. (lia)