Der Begriff «Affluenza» tauchte zum ersten Mal in den 1990er Jahren auf und wurde von der deutsch-schweizerischen Psychologin Ulrike Zöllner geprägt. Grössere Beachtung erfuhr das Kunstwort dann um die Jahrtausendwende, als das Buch «The Golden Ghetto: The Psychology of Affluence» der US-amerikanischen Autorin Jessie O'Neill erschien.
Darin beschreibt die Schriftstellerin die Gefahr, dass Kinder reicher Familien verzogen werden könnten. Dadurch wird ihnen in der Erziehung kein Verständnis zwischen richtig und falsch vermittelt. Im Zentrum ihrer Überlegungen steht denn auch ein schwieriges Eltern-Kind-Verhältnis. Sie geht davon aus, dass wohlhabende Eltern kaum Zeit hätten sich um ihre Kinder zu kümmern und ihnen so klare Richtlinien im Leben fehlen würden.
«Afluenza»-Fall in den USA
In den USA ging vor einigen Jahren ein Fall durch die Medien, in dem ein Jugendlicher im Rausch vier Menschen totgefahren hatte. Er wurde auch der vierfachen fahrlässigen Tötung Schuldig gesprochen. Doch das Urteil lässt staunen. Anstelle der geforderten 20 Jahre Haft bekam der 16 Jährige vergleichsweise milde 10 Jahre auf Bewährung.
Was war passiert? Die Verteidigung hatte während der Verhandlung versichert, der Angeklagte leide unter einer Wohlstandsverwahrlosung, der «Affluenza». Er habe aufgrund der Erziehung seiner reichen Eltern nie gelernt was richtig und falsch ist. Es wäre also nicht Schuld, viel mehr sei der Fehler bei den Eltern zu suchen, welche den Sohn masslos verwöhnt hätten.
Zwei Jahre später verstiess der verwöhnte junge Mann dann gegen seine Bewährungsauflagen und musste doch noch ins Gefängnis. Nicht aber ohne vorher noch nach Mexiko geflüchtet zu sein – in Begleitung seiner Mutter. Mit 20 Jahren konnte er das Gefängnis wieder verlassen.
Keine anerkannte Krankheit
Dieser Fall ist wohl schwer an Absurdität zu überbieten. Unter Experten gilt die Diagnose «Affluenza» als denn auch Pseudobefund. So kommentierte der Psychologie-Professor Christopher Ferguson damals: «Das ist vielleicht das erste Mal, dass es als mildernder Umstand gilt, es zu einfach im Leben gehabt zu haben».
Das Phänomen wird dementsprechend weder in der «American Psychiatric Association» noch der «International Classification of Diseases» als Krankheit gelistet.
Fachpersonen zufolge ist es also nicht möglich, krankhaft verwöhnt zu werden. Thomas Plante, Psychologie-Professor an der Santa Clara University in Kalifornien dazu: «Affluenza ist eine nette Idee, die der öffentlichen Fanatasie entspringt aber es gibt keine diagnostischen Kriterien, um festzustellen ob Menschen eine Affluenza haben.»