Darum gehts
Alle 16 Minuten erkrankt in der Schweiz eine Person neu an Demenz. Aktuell sind hierzulande gemäss Alzheimer Schweiz rund 157’000 Menschen betroffen. Die Krankheit gilt als unheilbar – umso wichtiger ist die Prävention. Denn einige Risikofaktoren lassen sich aktiv vermeiden oder minimieren.
Studien zeigen: Gezielte Massnahmen und ein gesunder Lebensstil können das Demenzrisiko um bis zu 50 Prozent senken und den Ausbruch der Krankheit verzögern. Dazu zählen etwa regelmässige Bewegung, das Vermeiden von Übergewicht und der Verzicht auf Nikotin. Weniger bekannt dürften die folgenden Risikofaktoren sein:
Einsamkeit
Dass soziale Kontakte die Psyche stärken, ist bekannt. Dass wir in geselligen Runden aber auch einer Demenzerkrankung vorbeugen, weniger. Barbara Studer, Neurowissenschaftlerin und Gründerin von Hirncoach.ch, sagt: «Gute Beziehungen zu pflegen, ist etwas vom Besten, das wir fürs Hirn tun können.»
Sie rät älteren Menschen deshalb, sich nicht aus dem sozialen Leben zurückzuziehen, sondern sich beispielsweise in Vereinen und Freiwilligenorganisationen zu engagieren. «Dadurch fühlt man sich zugehörig und gebraucht», erklärt Studer. Hinzu komme, dass das Hirn durch den Kontakt mit unterschiedlichen Menschen und dem Erfüllen von Aufgaben gefordert werde. «So ist man ständig neuen Inputs ausgesetzt. Diese sozialen und geistigen Herausforderungen haben einen positiven Effekt auf die Hirngesundheit.»
Hörprobleme
Eine unbehandelte Hörminderung kann die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, um bis zu zehn Prozent steigern. Das liegt gemäss Hansueli Müller, Hörgeräteakustiker und Hörtrainer bei Neuroth, einerseits daran, dass das Hirn durch die geringeren akustischen Reize weniger stimuliert wird, andererseits an der erschwerten Kommunikation. Diese wiederum verstärkt den bereits genannten Risikofaktor Einsamkeit. Müller erklärt: «Menschen, die schlecht hören, ziehen sich häufig zurück und nehmen nicht mehr aktiv am Alltag teil.»
Grundsätzlich gilt: Je früher eine Hörminderung erkannt wird, desto besser. Müller: «Hörgeräte sind nicht nur technische Hilfsmittel, sondern der Schlüssel zu Kommunikation, Interaktion und sozialer Teilhabe.» Er empfiehlt, ab 40 regelmässig das Gehör testen zu lassen, da das Risiko für altersbedingte Hörminderung ab dann steigt.
Schlechter Schlaf
Eine Studie der University of South Florida aus dem Jahr 2017 zeigt, dass das Risiko, später demenzartige Symptome zu entwickeln, bei Menschen mit schlechtem Schlaf um das 3.8-Fache erhöht ist. Der Schlafforscher Björn Rasch von der Universität Freiburg schreibt in seinem Buch «Schlaf: Rasch erklärt», dass eine mögliche Ursache darin liegen könnte, dass der Schlaf eine wichtige Rolle für unser Gedächtnis spielt. Zudem hemmen vor allem der mitteltiefe und der Tiefschlaf entzündliche Prozesse im Gehirn, die mit der Entstehung von Alzheimer – der häufigsten Form von Demenz – in Verbindung gebracht werden.
Erstaunlich ist: Auch wer regelmässig zu lange schläft, hat ein erhöhtes Demenzrisiko. Der Grund dafür ist noch nicht eindeutig geklärt. Björn Rasch sagt: «Der zu lange Schlaf könnte ein Frühsymptom für Entzündungen im Gehirn sein, die mit Demenz zusammenhängen.» Zudem gehe regelmässig zu langer Schlaf – also jede Nacht mehr als neun Stunden – oft mit anderen Erkrankungen einher, die das Demenzrisiko erhöhten.
Geringe Bildung
Menschen mit geringer Bildung haben ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Denn indem man sich weiterbildet, regt man das Hirn an. Das führt wiederum zu einer grösseren kognitiven Reserve, die wie ein Schutzpolster gegen Demenz wirkt. «Je grösser diese Reserve, desto mehr Nervenverbindungen und -zellen kann das Gehirn verlieren, ohne dass gleich Gedächtnisbeschwerden auftreten», erklärt Rafael Meyer, Chefarzt bei den Psychiatrischen Diensten Aargau.
Das bedeutet, dass sich bei Menschen mit höherem Bildungsniveau eine Demenzerkrankung im Verhältnis zur Krankheitslast erst später bemerkbar machen kann. «Faire Bildungschancen sind aus Sicht der Prävention deshalb von hoher Bedeutung», so Meyer. Wer in der Jugend lange die Schulbank gedrückt hat, sollte sich im Alter dennoch nicht zurücklehnen. «Auch später ist es wichtig, aktiv zu bleiben, um das Hirn zu stimulieren und widerstandsfähiger zu machen.»
Luftverschmutzung
Schon seit einiger Zeit wird Luftverschmutzung als Risikofaktor für Demenz gehandelt. Eine kürzlich veröffentlichte Analyse von Forschenden der Universität Cambridge untermauert diesen Verdacht. Sie haben 51 Studien mit Daten von rund 29 Millionen Menschen ausgewertet. Das Ergebnis zeigt, dass insbesondere feine Schwebstoffe in der Luft – also Feinstaub – mit einem erhöhten Demenzrisiko in Verbindung stehen. Auch Stickstoffdioxid und Russpartikel gelten als problematisch.
Die Schadstoffe können über die Atemwege ins Gehirn gelangen und Entzündungsprozesse auslösen, die langfristig die Hirnfunktion beeinträchtigen können. Die Wissenschaftler betonen daher, dass Demenzprävention nicht nur Aufgabe der Medizin und des Einzelnen sei, sondern auch Umwelt- und Verkehrspolitik sowie die Stadtplanung entscheidende Rollen spielten.