Darum gehts
- Walliser Weine reifen in Stollen der Grande Dixence, der höchsten Gewichtsstaumauer der Welt
- Kälte, Feuchtigkeit und tiefer Luftdruck sorgen für einen langsamen Ausbau
- Die Weine können nach diesem Härtetest länger auf der Flasche reifen
«Vor ein paar Wochen lagen hier noch 40 Zentimeter Schnee, und wir mussten Ketten montieren», sagt Luc Sermier (62) und steuert durch Haarnadelkurven den Berg hinauf.
Der Landweg ist dem Önologen lieber als die Helikopterflüge, die er im Winter in Kauf nimmt, um regelmässig nach den 200 Barriques im Zugangsstollen der Grande Dixence zu schauen.
Kapazität von 8000 Walliser Weinernten
Die Grande Dixence ist die höchste Gewichtsstaumauer der Welt und schiebt sich wie ein gigantischer Riegel zwischen die Gipfel. Über die Krone ziehen Nebelschwaden. Dahinter ruht der See.
400 Millionen Kubikmeter Wasser werden hier jährlich gestaut. Das entspricht «schätzungsweise 8000 Walliser Weinernten», steht in einer ausführlichen Dokumentation zum Bauwerk geschrieben.
Weinreifung für Titanen
Unter diesen Superlativen reifen die Weine der «Les Titans»-Serie. Luc Sermier ist Önologe bei der Walliser Genossenschaft Provins in Sitten. 2008 startete er das Pionier-Projekt und widmete die Weine jenen Menschen, die von 1951 bis 1965 im rauen Bergklima auf 2400 Meter Höhe alles für den technischen Fortschritt gaben.
Sermier geht analytisch vor. Siebzehn Kriterien entscheiden, welche Trauben zu Titanen werden. Säuregehalt, Zucker und Farbdichte und Tanninreife werden gemessen, dazu kommen die Parameter des Jahrgangs und der Rebparzelle.
Kein «Angels' Share» im Stollen
Der Stollenboden ist glitschig, Wasser tropft von der Decke. Die Temperatur beträgt konstant 4 Grad Celsius, der Luftdruck ist tiefer als im Tal, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 104 Prozent.
Die hohe Luftfeuchtigkeit hat einen Vorteil: Das Holz quillt auf, es verdunstet kein Wein aus den Barriques und es gelangt kein Sauerstoff zum Wein. Die Fässer bleiben spundvoll und müssen nicht aufgefüllt werden wie unter normalen Kellerbedingungen. «Darum reifen die Weine langsamer, sie gewinnen an Komplexität und Länge», erklärt Sermier.
Sieben verschiedene Titanen-Weine in zwei Weisse, ein Rosé und drei Rotweine, verteilt auf rund 25'000 Flaschen, werden jährlich so produziert. Die Weine werden am Provins-Sitz in Sitten VS in Barriques gefüllt und dann zum Stollen gebracht. Dort bekommen sie dann alle zwei Monate Besuch von Luc Sermier.