Hoch die Becher!
Weintrinken geht auch ohne Stiel

Welches Glas zu welchem Wein wird oft zur Religion erhoben. Wir finden, es ist Zeit für eine neue Einfachheit. Denn nicht jeder Anlass braucht edle Kelche auf hohem Stiel.
Publiziert: 31.05.2025 um 13:55 Uhr
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Ohne Wein aus Boccalino und Tazzin fehlt etwas beim Einkehren in ein Tessiner Grotto.
Foto: Ursula Geiger

Darum gehts

  • Weintumbler ersetzen hochstielige Gläser für entspannte Sommerabende im Freien
  • Boccalino und Tazzin machen sich auch daheim auf der Terrasse gut
  • Pfälzer Dubbegläser kommen beim grössten Weinfest der Welt zum Einsatz
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ursula GeigerRedaktorin Wein

Irgendwann waren sie nicht mehr angebracht: Der Gobelet für das Glas Chasselas, Boccalino und Tazzin im Tessiner Grotto oder das Henkelglas, aus dem die Schwaben ihr Viertele Trollinger trinken.

Auserlesenes Glas musste auf den Tisch. Ein Haushalt mit Weinkultur sah sich fast schon in der Pflicht, für jede Wein-Ikone das passende Glas im Schrank zu haben. Becher- oder Stangengläser für Wein waren nicht mehr zeitgemäss.

Weingläser mit Ausstülpung

«Die Form folgt der Funktion», lautete die Devise. Das trieb wilde Blüten. Beim Weinnasenglas umschloss ein Schnabel am Glasrand die Nasenrücken für ein optimales Aromen-Erlebnis. Auch Gérard Depardieus Riechorgan fand daran halt.

Zudem wurde mit den hochstieligen Preziosen der Spruch «Glück und Glas, wie leicht bricht das» zur bitteren Wahrheit.

Weintumbler oder Gobelets

Doch dann kamen die Weintumbler auf den Markt. Was für eine (Er)lösung. Fröhliche Sommerabende im Freien wurden nicht mehr von der «Gläserfrage» überschattet. Und die Gläser ohne Stiel waren einfacher zu handhaben.

Weshalb auch nicht? Niemand schwenkt hochkonzentriert den süffigen Beaujolais im Glas, wenn die zweite Runde Bratwurst vom Grill angekündigt wird und aus der Soundbox «Atemlos durch die Nacht» schallt.

Unkompliziertes Dubbeglas

Zurück zum Trinkhorn möchten wir selbstverständlich nicht mehr. Auch Zinnbecher samt Krüge gehören ins Brocki. Aber weshalb nicht den Merlot del Ticino aus Boccalino und Tazzin giessen? Das passt zu Hause ebenso wie im Grotto.

In der Pfalz, dem zweitgrössten deutschen Anbaugebiet gehört, das Dubbeglas zur Grundausrüstung.

Der Legende nach soll es ein Metzgermeister erfunden haben, weil die glatten Stangengläser bei den Schlachtfesten immer wieder aus den Händen glitten und kaputtgingen. Die Vertiefungen (Dubbe) machten die Gläser griffiger.

In Bad Dürkheim in der Pfalz findet jeden September das grösste Weinfest der Welt statt. Dort, auf dem Wurstmarkt, sind die Dubbegläser längst zum beliebten Souvenir geworden.

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