Yayoi Kusama in Basel
Millionen für einen Kürbis

Ihre Kunst ist für die Unendlichkeit: Die ikonischen Werke von Yayoi Kusama (96) erzielen Millionenpreise und begeistern Kenner und Kinder gleichermassen. Jetzt kann man das Gesamtkunstwerk des Superstars aus Japan in der Fondation Beyeler in Basel erleben.
Publiziert: 12:26 Uhr
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Aktualisiert: 12:38 Uhr
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Popstar der zeitgenössischen Kunst: Yayoi Kusama.
Foto: The Asahi Shimbun via Getty Images

Darum gehts

  • Yayoi Kusama: 96-jährige Künstlerin mit Ausstellung in der Fondation Beyeler in Basel
  • Kusama lebt in psychiatrischer Klinik und nutzt Kunst als Therapie
  • Grösste Ausstellung in der Geschichte des Basler Hauses, vorbereitet über 4 Jahre
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Sie gestaltet Bühnenbilder für Popstar Adele, entwirft Taschen für das Luxuslabel Louis Vuitton und verkauft Kürbisse für Millionen: Yayoi Kusama ist mit 96 Jahren ein Superstar der zeitgenössischen Kunst. Sie lebt und arbeitet in einer psychiatrischen Klinik – in die sie sich selbst eingewiesen hat. Was hinter ihren ikonischen Polka Dots und Spiegelräumen steckt, zeigt nun die Fondation Beyeler: Ab dem 12. Oktober ist dort ihr gesamtes Universum zu sehen. Es ist die grösste Ausstellung in der Geschichte des Basler Hauses, vorbereitet über vier Jahre. Direktor Sam Keller führt den Blick exklusiv durch die Schau – und erklärt, warum Kusama Kinder ebenso fasziniert wie Kunstkenner.

Kindheit und Krieg

Das Porträt einer Frau mit Punkten malte Kusama als Zehnjährige.
Foto: STEFAN BOHRER

Yayoi Kusama wächst im Japan der 1930er-Jahre auf – im Krieg und in einem strengen Elternhaus, in dem Kunst keinen Platz hat. «Schon als Kind hat sie obsessiv gezeichnet», erzählt Sam Keller und zeigt auf eine Zeichnung, die Kusama als Zehnjährige machte. Die Punkte, die später weltberühmt werden, sind hier bereits zu sehen. «Um sie zu verstehen, muss man ganz an den Anfang zurück», sagt Keller. Kusama studiert traditionelle japanische Malerei, entwickelt aber früh ihren eigenen Stil. «Ihre Skizzen mit Blumen, Blättern oder Affen zeigen, wie präzis sie ihr Handwerk schon damals beherrschte.»

Die Liebe zu Kürbissen

Kusama liebte schon als Kind Kürbisse – heute sind die Skulpturen Millionen wert.
Foto: STEFAN BOHRER

Kusama versteht die Welt animistisch – beseelt. «Sie sagte, dass sie schon als Kind mit Pflanzen und Tieren kommunizieren konnte», so Keller. Selbst in ihren düsteren Nachkriegsbildern erscheinen Augen, Blumen, Fische, Landschaften voller Wiederholungen. «Die Natur hat diese Repetition in sich – Leben und Tod sind immer gleichzeitig da.» Besonders Kürbisse wurden zu ihrem persönlichen Totem. Sie sagte einmal: «Kürbisse haben eine freundliche Persönlichkeit. Ich liebe sie so wie andere Menschen ihre Haustiere.»
In der Kunstschule in Kyoto fühlte sie sich oft einsam, ein Kürbis im Zimmer schenkte ihr Geborgenheit. «Sie hat ihn einfach angeschaut, damit meditiert und ihn gemalt.»

Punkte bis in die Unendlichkeit

Punkte und Netze: Ein immer wiederkehrendes Sujet für die Unendlichkeit.
Foto: STEFAN BOHRER

Halluzinationen begleiten Kusamas Leben und Werk: Überall sieht sie Punkte, Netze, Muster. Statt sich davon überwältigen zu lassen, verwandelt sie sie in Kunst. «Sie hat sich ihren Ängsten gestellt, ihre Visionen nicht verdrängt, sondern in kreative Energie verwandelt», sagt Keller. Es sind unendlich viele Punkte – «vom Mikro, der Zelle, bis zum Makro, der Welt als Punkt im Universum». Alles kreist um Auflösung des Ichs, um Verschmelzung mit allem. Kusama sagt: «Ich hoffe, dass alle die Unendlichkeit sehen könnten.»

Durchbruch in Amerika

Kusama machte Kunst zur Mode – mit phallischen Skulpturen.
Foto: Fondation Beyeler

Als 28-Jährige durfte sie endlich nach Amerika reisen. Beim Blick aus dem Flugzeug über den Pazifik entsteht die Inspiration für ihre ersten «Infinity Nets» – wuchernde Geflechte aus Tausenden von Linien. «Sie arbeitete bis zu 50 Stunden am Stück, obsessiv, bis sie überall Netze sah, nicht nur auf der Leinwand», erzählt Keller. Sie wird Teil der Avantgarde, gestaltet Mode, Performances und als Erste Soft Sculptures: Sie überzieht Möbel, Kleider und Alltagsgegenstände mit textilen Phallusformen. «Sie hatte Angst vor Sex und Essen, das war ihre Art, damit umzugehen.» Ebenso gehört sie zu den Ersten, die Kunst in Happenings und begehbare Installationen überführt.

Kunst als Therapie

Zwischen Leben und Tod: Die Skulptur «Leftover Snow in the Dream» von 1982.
Foto: STEFAN BOHRER

Anfang der 1970er-Jahre kehrt sie nach den wilden Hippie-Jahren nach Japan zurück, weil sie zunehmend an Angstzuständen und Suizidgedanken leidet. Sie lässt sich 1977 freiwillig in die psychiatrische Klinik in Tokio einweisen, in der sie bis heute täglich arbeitet. In der Nähe befinden sich ihr Studio und ihr Museum. Kunst sei ihr einziger Weg, mit Ängsten und Visionen zu leben. «Sie ist nicht verrückt, sondern eine hochbegabte Frau, die die Welt durch andere Augen sieht», betont Keller. «Das zeigt sie als Malerin, Bildhauerin, Schriftstellerin, Filmemacherin und Performerin. Sie überwindet die Grenzen zwischen Kunst und Leben. Das macht sie so populär – und so zugänglich.»

Popikone und globale Marke

Kooperation mit Mode: Kusama macht aus Louis Vuitton Kunst.
Foto: Zvg

Ihre Polka Dots sind weltberühmt – auch dank ihrer Zusammenarbeit mit dem französischen Luxuslabel Louis Vuitton. Popstar Adele nutzte einen ihrer «Infinity Mirrored Rooms» für ein Bühnenbild. Auch in der Fondation Beyeler können Besucher in einen solchen verspiegelten Raum der Unendlichkeit eintreten – inzwischen ein Selfie-Klassiker auf Instagram. Ebenso populär: ein grosser verspiegelter Raum voller aufgeblasener Tentakel: Hier fühlt man sich auf einen Schlag wie im Kinderparadies: so als ob Kusama uns die kindlichen Augen öffnet. Und doch ist ihre verspielte Kunst Millionen wert. Was sie mit dem Geld macht? «Sie kauft sich keine Yachten, keine Autos, keine Flugzeuge, keine Häuser», sagt Keller. Ihr Atelier sei bescheiden, aber sie habe eine Stiftung gegründet: «Für ein Museum, damit ihr Werk weiterlebt.» Und sie malt immer noch. Ihre neusten Bilder im Beyeler datieren teils von 2024 und sind zum ersten Mal zu sehen. 

Eines der jüngsten Werke von Kusama: «Every Day I Pray for Love» von 2023.
Foto: Fondation Beyeler

«Yayoi Kusama» vom 12. Oktober 2025 bis 25. Januar 2026 in der Fondation Beyeler. Für den Besuch empfiehlt es sich, ein Zeitfenster-Ticket online zu buchen. 

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